Schifffahrt:Amsterdam öffnet die größte Schleuse der Welt

Schifffahrt: Ursprünglich sollte die Ijmuiden-Schleuse bereits 2019 ihren Betrieb aufnehmen.

Ursprünglich sollte die Ijmuiden-Schleuse bereits 2019 ihren Betrieb aufnehmen.

(Foto: Robin van Lonkhuijsen/AFP)

Noch vor acht Jahren versprach sich der Gemeinderat von dem Neubau mehr Betrieb am Hafen und mehr Touristen in der Stadt. Mittlerweile stellt sich die Frage: Braucht es den Koloss überhaupt?

Von Johannes Bauer

Natürlich wird der niederländische König Willem-Alexander zur Eröffnung da sein. Schließlich handelt es sich bei der Zeesluis IJmuiden, die am Mittwoch vor Amsterdam in Betrieb geht, um einen imposanten Bau: einen halben Kilometer lang, 70 Meter breit und 18 Meter tief. Damit ist sie die größte Schleuse der Welt. Die Niederländer können also stolz sein, entreißen sie doch den Rekord dem ewigen Rivalen aus Belgien, dessen Kieldrecht-Schleuse bei Antwerpen bisher die größte ihrer Art war.

Doch um ein Bild aus der Schifffahrt zu verwenden: Die Kosten dafür sind aus dem Ruder gelaufen. Und ursprünglich sollte die Schleuse bereits 2019 Schiffe zwischen dem Amsterdamer Hafen und der Nordsee an- und absenken können. Rückschläge beim Bau der Schleusentore, und weil sich andere Teile der Konstruktion als zu leicht herausstellten, führten jedoch zu Verzögerungen. Dem Baukonsortium entstand ein Schaden von 210 Millionen Euro, die Amsterdamer Stadtverwaltung muss Mehrkosten von 64 Millionen Euro tragen. Das ist mehr als das Doppelte des Budgets, das man ursprünglich beisteuern wollte, berichtet das Nachrichtenportal der niederländischen Tageszeitung Het Parool.

Auch die Bauern in der Umgebung blicken aktuell besorgt nach Amsterdam. Denn jedes Mal, wenn sich das Schleusentor öffnet, fließen Meerwasser und damit auch zehn Millionen Kilo Salz in den Nordseekanal - fast doppelt so viel wie bei der alten, kleineren Schleuse. Nun führte der Kanal zwar seit jeher einen Mix aus Salz- und Süßwasser. Auf seinem Grund schiebt sich allerdings eine Salzzunge beständig vorwärts. Noch mehr Salz könnte zum Problem werden, sagt Jan Rienstra, Bereichsleiter bei der niederländischen Behörde für Straßen und Wasserwege, dem Wissenschaftsmagazin Quest: "Wenn der Zufluss von Salzwasser zunimmt, könnte es auch in den Amsterdam-Rhein-Kanal gelangen." Aus dem Kanal wird Trinkwasser gewonnen, und die Bauern nutzen das Wasser für ihre Felder.

Zwar gibt es Maßnahmen gegen die Versalzung. Doch die wirksamste, ein Damm, der Salzwasser durchlässt und Süßwasser zurückhält, wird frühestens 2024 fertig. Die Schleuse geht trotzdem schon an diesem Mittwoch in Betrieb. Noch vor acht Jahren hielt der Gemeinderat von Amsterdam den Neubau nämlich für notwendig, damit auch die größten Container- und Kreuzfahrtschiffe die Stadt erreichen können. Heute stellt sich jedoch die Frage: Wer braucht diesen Koloss aus Beton und Stahl überhaupt?

Ein großer Containerterminal im Hafen hat man seitdem jedenfalls geschlossen. Außerdem kämpft wohl keine europäische Stadt so sehr mit dem Phänomen des Overtourism wie Amsterdam. Allein zwischen 2016 und 2019 sprang die Zahl der Übernachtungen in der Stadt von knapp 14 auf mehr als 18 Millionen. Auf Kreuzfahrtpassagiere und damit noch mehr Gäste würde man also gern verzichten. Immerhin, es gibt auch eine Gruppe, die von der neuen Schleuse nur profitiert: Radfahrer. Auf dem Weg über die Schleusentore sind sie deutlich schneller am anderen Ufer als mit der Fähre.

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