Krise:Lasst uns reden

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Die Nato beharrt gegenüber Moskau darauf, dass jedes Land frei über seine Bündnisse entscheiden dürfe - ein Manöverbild der ukrainischen Armee. (Foto: Reuters)

Was hinter dem Gesprächsangebot der Nato an Russland steckt.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Eine halbe Stunde dauert die Autofahrt von der Nato-Zentrale in Brüssel bis zur russischen Botschaft in Belgien im Vorort Uccle. Dort übergab ein Bote am Mittwochnachmittag die schriftliche Antwort der 30 Mitglieder des Verteidigungsbündnisses auf die Forderungen Moskaus nach neuen Sicherheitsvereinbarungen. In Moskau überreichte US-Botschafter John Sullivan die Antwort Washingtons persönlich im Außenministerium. Veröffentlicht wurden die Schreiben nicht, stattdessen traten Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Außenminister Antony Blinken vor die Presse. Die Botschaft: Wir sind uns absolut einig, dass Russland kein Veto über neue Nato-Mitglieder erhält und keine Nato-Truppen aus Osteuropa abgezogen werden. Obwohl Moskau die Sicherheit in Europa untergrabe, sei man bereit für Verhandlungen.

Blinken betonte in Washington, dass es für die USA "Kernprinzipien gibt, zu deren Wahrung und Verteidigung wir uns verpflichtet haben". Explizit nannte er die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine sowie das Recht von Staaten, ihre eigenen Bündnisse zu wählen. Weil Russland seinen Truppenaufmarsch nahe der Ukraine weiter fortsetzt, sprach Stoltenberg von einem "kritischen Moment" für die euroatlantische Sicherheit und forderte Moskau zur Deeskalation auf. Laut Diplomaten bündeln die Antworten, was Vertreter der Nato-Mitglieder seit Wochen sagen. Im fünfseitigen Papier der Allianz werden zunächst die eigenen Kernprinzipien unter Bezug auf die Charta der Vereinten Nationen, der Helsinki-Erklärung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) sowie die Nato-Russland-Grundakte aus dem Jahr 1997 betont, dann folgen konkrete Angebote.

Der Kreml-Sprecher sieht "nicht so viele Gründe für Optimismus"

Diese führte Stoltenberg in Brüssel näher aus. Um die Beziehungen zu verbessern, soll die Kommunikation zwischen Militärvertretern erhöht und eine "zivile Hotline" für Notfälle eingerichtet werden. Die Vertretungen in Brüssel und Moskau sollen wieder geöffnet werden; die Autofahrt durch Belgiens Hauptstadt zur Überbringung des Schreibens war nötig, weil Russland im November sein Büro geschlossen hatte. Die Nato sei auch bereit, Russlands Bedenken anzuhören und über europäische Sicherheit zu sprechen - dann allerdings auch über die Situation rund um die Ukraine. Als drittes Gesprächsthema nannte er die Vermeidung von Konflikten. Um mehr Transparenz bei militärischen Übungen zu gewährleisten, könnte das "Wiener Dokument" der OSZE "modernisiert" werden. Reden könne man auch über Fragen der Rüstungskontrolle, etwa Atomwaffen sowie landgestützte Mittel- und Kurzstreckenraketen.

Stoltenbergs Einschätzung, "weit auseinander" zu liegen, wurde in Moskau bestätigt. Kremlsprecher Dmitrij Peskow sagte, man studiere die Dokumente noch, aber er sehe "nicht so viele Gründe für Optimismus". Ein Dialog sei aber weiter möglich. Wann Moskau antwortet, ist völlig offen. Aus dem Außenministerium hieß es, der Westen habe sich doch gerade fast eineinhalb Monate Zeit gelassen.

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