Nach AfD-Ausstieg:Meuthen spricht mit "neuen Partnern"

Nach AfD-Ausstieg: Jörg Meuthen in der Bundespressekonferenz.

Jörg Meuthen in der Bundespressekonferenz.

(Foto: Metodi Popow/Imago)

Schon Tage nach seiner Abrechnung arbeitet der Ex-Chef an einer neuen politischen Heimat. Der AfD sagt Jörg Meuthen einen "Exodus" voraus und ätzt über den Auftritt seiner früheren Partei: "Das Fremdschämen hatte ein Allzeithoch erreicht."

Von Markus Balser, Berlin

Nur wenige Tage nach seinem überraschenden Austritt aus der AfD führt deren Ex-Chef bereits Gespräche über eine neue politische Heimat. "Ich arbeite mit Leidenschaft politisch", sagte Jörg Meuthen der Süddeutschen Zeitung. "Ich bleibe ja EU-Abgeordneter. Aber ich führe auch Gespräche mit potenziellen neuen Partnern", sagte der 60-Jährige. Eine Entscheidung soll bald fallen. "In näherer Zukunft wird es da Klarheit geben", kündigte Meuthen an.

Offenbar kann sich Meuthen vorstellen, beim Aufbau einer neuen politischen Kraft in Deutschland mitzuwirken. "Es gibt aus meiner Sicht im deutschen Parteienspektrum durch den deutlichen Linksruck der CDU einerseits und das zunehmende Abdriften der AfD nach rechts außen andererseits eine erhebliche Repräsentationslücke im konservativ-freiheitlichen Bereich", sagte Meuthen weiter. "Das wird in diesen Tagen ja mehr als deutlich."

Meuthen hatte am Freitag nicht nur den Parteivorsitz der AfD nach sechseinhalb Jahren niedergelegt. Er war mit harter Kritik an deren Radikalisierung und der Verachtung des Parlamentarismus durch Teile der AfD auch aus der Partei ausgetreten. Zuletzt etwa "die Beleidigung des erst wenige Stunden zuvor verstorbenen EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli durch einen AfD-Europaabgeordneten". Zu seinem Schritt habe ihn "die Summe vieler Ereignisse" bewogen, sagt Meuthen. "Auch die nicht enden wollenden Enthüllungen von entsetzlichen AfD-Chatbeiträgen machten mich fassungslos." Es habe ihm kaum erträgliche AfD-Auftritte im Bundestag gegeben, so Meuthen. "Das Fremdschämen hatte ein Allzeithoch erreicht."

In den kommenden Monaten sieht er auf seine frühere Partei schwere Zeiten zukommen. Vor allem eine härtere Gangart des Verfassungsschutzes gegen die gesamte Partei hält er für wahrscheinlich. "Die Beobachtung wird wohl kommen", warnt Meuthen. Dem Ex-Chef zufolge wird das die AfD im gemäßigten Lager viele Mitglieder kosten. "Das wird absehbar einen spürbaren Exodus auslösen. Viele werden die Partei verlassen. Etwa Angehörige des öffentlichen Dienstes oder rechtschaffene Konservative, die sich dann zurückziehen."

Gemäßigtes Lager will weiter Doppelspitze

Er selbst habe die AfD mit seiner Kritik nicht ans Messer geliefert, wehrt sich Meuthen gegen die Behauptung, er trete als Kronzeuge auf. "Das sind diejenigen, die der AfD immer wieder mit radikalen Ausfällen schaden." Auch den verbliebenen Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla kritisiert Meuthen scharf. Er habe es "bislang an jedweder glaubwürdigen Abgrenzung von den Radikalen mangeln lassen", sagt Meuthen. Chrupalla werde in den nächsten Monaten Farbe bekennen müssen, "wie er mit diesen Kräften in der AfD umgeht".

Derweil nimmt in der AfD die Debatte über eine neue Führung Fahrt auf. Tino Chrupalla hatte bei Auftritten am Wochenende signalisiert, dass er die Partei vorerst alleine führen will. Er werde die Partei jetzt "zusammenführen, zusammenhalten", hatte der dem rechten Lager der AfD zugerechnete Politiker erklärt.

Das für AfD-Verhältnisse gemäßigte Lager meldet nun seinerseits Ansprüche an und spricht sich klar für ein Festhalten am bisherigen Führungsmodell aus. "Die AfD braucht auch in Zukunft eine Doppelspitze", sagte die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar, die im Bundesvorstand der Partei sitzt. "Ich bin mir sicher, dass sich die AfD beim nächsten Parteitag darauf einigen wird. Noch ist der Zeitpunkt nicht gekommen, um darauf zu verzichten."

Die Abgeordnete aus Hessen, die bei der Wahl der AfD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl angetreten war, befürwortet, dass sich die beiden Lager auf eine gemeinsame Führung einigen und strebt dabei selbst eine "führende Rolle an". "Das Ziel der AfD ist ein Konsens-Vorstand. Wir müssen zeigen, dass es auch ohne Streit geht. Das aber klappt nur mit zwei Sprechern, die auch die Lager der Partei vertreten."

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