Ukraine:Scholz demonstriert Schulterschluss

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Bei seinem Besuch in der Ukraine verspricht der Bundeskanzler finanzielle Hilfen und droht Russland mit Sanktionen. Moskau kündigt eine Antwort auf Angebote der USA an.

Von Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger, Kiew, Berlin

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Russland bei seinem Besuch in Kiew nochmals mit "weitreichenden politischen, wirtschaftlichen und geostrategischen Konsequenzen" gedroht, sollte Präsident Wladimir Putin einen Einmarsch in die Ukraine befehlen. "Wenn Russland die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine erneut verletzen sollte, wissen wir, was zu tun ist", betonte Scholz am Montag. Das werde er auch in Moskau so sagen, wohin er an diesem Dienstag reisen wollte. Zugleich erneuerte er das Angebot an Russland für "einen ernsthaften Dialog" über Fragen der Sicherheit in Europa.

Unterdessen teilte das US-Außenministerium mit, die USA verlegten angesichts der extrem angespannten Lage ihre Botschaftsgeschäfte in der Ukraine vorübergehend von der Hauptstadt Kiew nach Lwiw (Lemberg) nahe der Grenze zu Polen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij kritisierte in einer Fernsehansprache, dass andere Regierungen den 16. Februar als möglichen Termin eines Angriffs genannt hatten. "Uns wird gesagt, dass der 16. Februar der Tag des Überfalls werde, wir machen ihn zum Tag der Einheit", sagte das Staatsoberhaupt in einem Video am Montagabend. Die Ukrainer sollen an diesem Mittwoch im ganzen Land Flaggen hissen und um die Hymne singen. "Zeigen wir der ganzen Welt unsere Einigkeit", sagte der 44-Jährige.

Scholz sagte in Kiew weiter, niemand solle daran zweifeln, dass Deutschland und seine Partner entschlossen und vorbereitet seien, Sanktionen unverzüglich in Kraft zu setzen. Die umstrittene russische Gaspipeline Nord Stream 2 ließ er unerwähnt. Die Bundesregierung werde der Ukraine einen Kredit von 150 Millionen Euro zur Verfügung stellen und die Auszahlung eines bestehenden Darlehens in gleicher Höhe beschleunigen. Wünsche Kiews nach militärischer Ausrüstung würden geprüft. Der Kanzler bekräftigte aber die Haltung, keine tödlichen Waffen zu liefern.

Der Ukraine finanziell zu helfen, kommt offenbar auch für die USA in Betracht. Einem Insider zufolge, wollen sie Kiew bis zu eine Milliarde Dollar an Kreditgarantien anbieten. Dies solle die Märkte wegen eines etwaigen Ukraine-Kriegs beruhigen, habe der Sprecher des Außenministeriums, John Kirby, hochrangigen Kongressmitgliedern erklärt.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij dankte für die Unterstützung der Bundesregierung. Auch Waffenlieferungen seien in dem zweistündigen Gespräch angesprochen worden, sagte er. Botschafter Andrij Melnyk hatte zuvor von Berlin Panzerabwehrraketen für sein Land gefordert. Die Gasleitung Nord Stream 2 nannte Selenskij eine "geopolitische Waffe", die Garantien bei der Energiesicherheit für sein Land erforderlich mache.

Zum von Russland als Bedrohung dargestellten möglichen Beitritt der Ukraine zur Nato sagte Selenskij: "Vielleicht ist die Frage der offenen Tür für uns doch ein Traum." Niemand wisse, wann es so weit sei und was am Ende stehe. Er bekräftigte aber, es sei an den Ukrainern, dies zu entscheiden, der Nato-Beitritt sei in der Verfassung festgeschrieben. Scholz hatte zuvor zwar betont, die Nato halte am Prinzip der offenen Tür für neue Mitglieder fest, ein Beitritt der Ukraine stehe aber nicht auf der Tagesordnung. Deshalb sei es "schon etwas eigenwillig zu beobachten", dass Putin dies "zum Gegenstand großer politischer Problematiken macht".

Scholz sagte, die Bundesregierung unterstütze Vorschläge der Nato und der USA für einen fortgesetzten Dialog. Nun erwarte man von Russland eine Antwort darauf. Moskau signalisierte Bereitschaft, zumindest Angebote der USA in Erwägung zu ziehen. Außenminister Sergej Lawrow sagte in einem im Staatsfernsehen übertragenen Gespräch mit Putin, die diplomatischen Möglichkeiten seien bei Weitem nicht ausgeschöpft. Er schlage vor, die Verhandlungen fortzusetzen und zu intensivieren. Putin willigte offenkundig ein: "Gut!", sagte er. Laut Lawrow hat Russland eine zehnseitige Antwort an die Nato und die USA formuliert. Die Stellungnahmen der EU und der Nato auf die Forderung Russlands nach Sicherheitsgarantien nannte er allerdings "nicht zufriedenstellend".

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