Ukraine-Konflikt:Scholz stoppt Nord Stream 2

Ukraine-Konflikt: Ein Kind wird während der Evakuierung von Bewohnern aus der Region Donezk am Bahnhof getragen. Der russische Präsident Putin hat Truppen in den umkämpften Osten der Ukraine befohlen.

Ein Kind wird während der Evakuierung von Bewohnern aus der Region Donezk am Bahnhof getragen. Der russische Präsident Putin hat Truppen in den umkämpften Osten der Ukraine befohlen.

(Foto: Roman Yarovitcyn/dpa)

Wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine setzt der Kanzler die Genehmigung der Gasleitung aus. Die EU und die USA verhängen Sanktionen gegen Banken und den Handel mit Staatsanleihen.

Von Daniel Brössler, Matthias Kolb und Paul-Anton Krüger, Berlin/Brüssel

Als Reaktion auf die russische Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine verhängen die EU und die USA Sanktionen gegen Russland, setzen aber die vorbereiteten Strafen nicht in vollem Umfang in Kraft. US-Präsident Joe Biden sprach am Abend in Washington von einer "ersten Welle". Außerdem hat US-Außenminister Antony Blinken ein geplantes Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow abgesagt. Mit Blick auf das Vorgehen Moskaus habe es keinen Sinn, an dem ursprünglich für diesen Donnerstag in Genf angesetzten Gespräch festzuhalten, sagte Blinken am Dienstag in Washington.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stoppte zudem das Zertifizierungsverfahren für die umstrittene russische Gaspipeline Nord Stream 2 und kündigte eine Neubewertung des Projekts durch die Bundesregierung an. Die Ukraine begrüßte die Entscheidung.

Wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstagabend nach einer Sondersitzung der EU-Außenminister in Paris bekannt gab, haben alle Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen, den Zugang der russischen Regierung zu den Kapital- und Finanzmärkten der EU zu beschränken, einschließlich den Handel mit Staatsanleihen. Auch beschlossen sie Sanktionen gegen Personen, die sich "an der illegalen Entscheidung Russlands beteiligt" hätten, unter ihnen mehr als 350 Abgeordnete der Duma und Kommandeure des russischen Militärs.

Ebenso werden Banken mit Strafen belegt, die das russische Militär finanzieren oder Geschäfte in den abtrünnigen Gebieten in der Ostukraine. Handel mit den Separatistengebieten soll weitgehend verboten werden, wie es schon 2014 nach der Annexion der Krim dort geschehen war. Aus rechtlichen Gründen müssen nun noch die EU-Botschafter in Brüssel die entsprechenden Rechtsakte beschließen. Die Sanktionen sind laut EU-Diplomaten eng mit den USA abgestimmt.

Biden kündigte ebenfalls Maßnahmen an, die sich gegen zwei große Banken richten, den ohnehin schon eingeschränkten Handel mit russischen Staatsanleihen verbieten und Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin und deren Familien ins Visier nehmen. Großbritannien verhängt Sanktionen gegen fünf russische Banken und drei Oligarchen.

Bundeskanzler Scholz sagte, Russland breche "mit allen völkerrechtlichen Vereinbarungen, die es in den vergangenen fast 50 Jahren ausdrücklich eingegangen ist". Mit "eng abgestimmten, gut koordinierten und zielgerichteten" Sanktionen werde man ein "klares Signal an Moskau" senden. Mit Blick auf Nord Stream 2 habe er das Bundeswirtschaftsministerium gebeten, den Bericht zur Analyse der Versorgungssicherheit bei der Bundesnetzagentur zurückzuziehen. Dieser ist eine der Voraussetzungen für eine Inbetriebnahme der fertig gebauten Leitung.

Moskau reagiert gelassen

Die Vorgängerregierung hatte ihre Einschätzung noch nach der Bundestagswahl vorgelegt und das Projekt positiv beurteilt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, er sei der Meinung, dass die geopolitische Situation, aber auch die Lage auf den Gasmärkten in den vergangenen Monaten eine Neubewertung erzwingen. Dieser Schritt sei in den vergangenen Monaten akribisch vorbereitet worden. Moskau reagierte gelassen. Die Regierung habe keine Angst und glaube nicht an Tränen, sagt Vize-Außenminister Andrej Rudenko der Nachrichtenagentur Tass.

Scholz sagte, die ohnehin existierende Vorbereitung für den Fall, dass es zu weiteren noch schlimmeren Entwicklungen komme, sei weit fortgeschritten. Er halte es für richtig, abgestuft vorzugehen mit einer Maßnahme, die sich auf die aktuellen Entscheidungen Putins beziehe, "die robust ist, die massiv ist, und die ähnlich ist zwischen der EU und den Vereinigten Staaten von Amerika". Auch Biden betonte, die USA seien zu noch härteren Gegenmaßnahmen bereit, falls Russland sein Vorgehen gegen die Ukraine weiter vorantreiben sollte.

Putin stellte am Dienstag bei einer Pressekonferenz sowohl an den Westen als auch an die Ukraine neue Bedingungen für eine Deeskalation. Die westlichen Staaten sollten die Lieferung moderner Waffen an die Ukraine einstellen und die Annexion der Krim anerkennen. Von der Ukraine verlangte er, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten. Das Land solle "bis zu einem gewissen Grad" demilitarisiert werden.

Putin machte deutlich, dass er die Separatistenregionen Luhansk und Donezk in ihren deutlich größeren ursprünglichen ukrainischen Grenzen anerkennt. Bislang kontrollieren die von Moskau gesteuerten Milizen nur etwa 32 Prozent der Gebiete. Der russische Vize-Verteidigungsminister hat im Moskauer Oberhaus die Stationierung von Truppen im Donbass beantragt. Putin erklärte zudem den Minsker Friedensplan für die Ostukraine für erledigt. Die Vereinbarungen hätten sich mit der Anerkennung der souveränen Staaten erübrigt.

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