Russland:Moskaus unerbittlicher Mann bei den UN

Ukraine-Konflikt - UN-Sicherheitsrat

Wassili Nebensja, Russlands Botschafter bei den Vereinten Nationen und derzeitiger Präsident des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.

(Foto: dpa)

Wassili Nebensja vertritt seit 2017 sein Land bei den Vereinten Nationen. Und ausgerechnet in diesem Februar leitete er den Sicherheitsrat.

Von Christian Zaschke

Wassili Nebensja dürfte unbeschwertere Geburtstage gefeiert haben. Am Samstag ist der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen 60 Jahre alt geworden. Seit 2017 vertritt er sein Land bei den UN und hat sich den Ruf eines ebenso hartleibigen wie scharfzüngigen Diplomaten erarbeitet. Mit dem seinerzeitigen deutschen UN-Botschafter Christoph Heusgen lieferte er sich regelmäßig verbale Scharmützel, als die Bundesrepublik 2019 und 2020 Mitglied des Sicherheitsrats war. Einmal empfahl er Heusgen, vor Sitzungen des Rates nicht mehr die New York Times zu lesen. Diese Lektüre, sagte er, beeinträchtige offenbar das Urteilsvermögen.

In diesen Tagen verteidigt er im UN-Gebäude am New Yorker East River die russische Invasion der Ukraine, wobei Nebensja nicht von einer Invasion oder gar einem Krieg spricht, sondern von einer "speziellen militärischen Aktion". Es ist eine mindestens seltsame Volte der Geschichte, dass Russland just in diesem Februar den Vorsitz des Sicherheitsrats innehatte, der monatlich zwischen den fünf ständigen (USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich) und den zehn nicht-ständigen Mitgliedern des Gremiums rotiert. Daher fungierte Nebensja zuletzt in New York nicht nur als Verteidiger Russlands, sondern auch als Leiter der Zusammenkünfte, der dem Rest der Welt das Wort erteilte.

Nebensja besuchte das Staatliche Moskauer Institut für Internationale Beziehungen und begann anschließend eine Laufbahn als Diplomat. Von 1996 bis zum Jahr 2000 arbeitete er schon einmal in New York, seinerzeit als wichtigster Berater des damaligen UN-Botschafters Sergei Lawrow, dem heutigen Außenminister. Von 2013 bis 2017 war er dessen Stellvertreter in Moskau, bevor er als Nachfolger des nicht weniger hartleibigen und ebenso scharfzüngigen Witali Tschurkin erneut an den East River entsandt wurde. Tschurkin hatte den Posten als UN-Botschafter seit 2006 innegehabt. Er starb im Februar 2017 im Amt.

Neben seiner Muttersprache Russisch spricht Nebensja fließend Englisch und Spanisch. Privat gilt er als umgänglich, als jemand, der die Kolleginnen und Kollegen auch nach harten Konfrontationen gern mal auf einen Wodka in seine Residenz einlädt. Im Sicherheitsrat kann er hingegen unerbittlich sein. Nie zeigte sich das so deutlich wie in den vergangenen Tagen.

Das Duell mit dem ukrainischen Kollegen vom Mittwochabend

Der Einmarsch in die Ukraine hatte am späten Mittwochabend New Yorker Zeit exakt zu dem Zeitpunkt begonnen, an dem das Gremium in der Hoffnung tagte, den Krieg in letzter Minute doch noch abwenden zu können. Der ukrainische Vertreter Sergej Kyslytsya rief Nebensja zu, dass dieser doch ein Smartphone besitze. Er solle umgehend Außenminister Lawrow anrufen, um diesem zu sagen, er solle den Krieg stoppen. Nebensja versetzte kühl, dass es sicherlich nicht sein Plan sei, den Außenminister jetzt zu wecken.

Während seine Wortgefechte mit Christoph Heusgen trotz allem Ernst in der Sache bisweilen etwas beinahe Folkloristisches hatten, dürften seine Auseinandersetzungen mit Sergei Kyslytsya im negativen Sinne in die UN-Geschichte eingehen. Hier der emotionale Kyslytsya, der wusste, dass sein Heimatland gerade von einer übermächtigen Armee angegriffen wird. Dort Nebensja, äußerlich ein Mann aus Eis. Es wirkte, als habe sich die Weltpolitik zu einem allzu symbolischen Kammerspiel verdichtet.

Einmal sprach Kyslytsya einen Satz, der Fluch und Flehen zugleich war. "Für Kriegsverbrecher gibt es kein Fegefeuer", sagte er, "die wandern direkt in Hölle." Nebensja hielt kurz inne. Fast wirkte es, als habe ihn der Satz getroffen. Dann sagte er: "Wir sind nicht dem ukrainischen Volk gegenüber aggressiv, sondern gegenüber der Junta, die in Kiew an der Macht ist." Anschließend machte er von seinem Recht als Vorsitzender Gebrauch und beendete die Sitzung.

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