Klimawandel:Guterres kritisiert "kriminelle" Untätigkeit beim Klima

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UN-Generalsekretär António Guterres stellt neuen Bericht zur Erderwärmung vor. Experten warnen vor Folgen des Temperaturanstiegs.

Von Michael Bauchmüller

Rund die Hälfte der Menschheit ist schon jetzt besonders stark vom Klimawandel und dessen Folgen gefährdet - und die Risiken wachsen. Das geht aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarates hervor, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Danach steht die Welt vor "unvermeidbaren Anstiegen vielfacher Klimagefahren", sollte die Erderwärmung die Schwelle von 1,5 Grad Celsius überschreiten. "Dieser Bericht enthüllt, wie die Menschen und der Planet verprügelt werden vom Klimawandel", sagte UN-Generalsekretär António Guterres. Dass im Kampf gegen die Erderhitzung niemand die Führung übernehme, sei "kriminell".

Der Report ist der zweite Teil des neuen Sachstandsberichts, den der Weltklimarat im Laufe des Jahres abschließen will. Hatte sich Teil eins mit den physikalischen Grundlagen des Klimawandels beschäftigt, befasste sich die Arbeitsgruppe für Teil zwei mit dessen Folgen - und den Chancen, sich darauf noch einzustellen. Dabei setzte sie sich erstmals eingehend mit den Wechselwirkungen auseinander, die sich zwischen Natur und Klima ergeben. Einerseits kann Naturschutz auch viele Effekte der Erderhitzung dämpfen, etwa durch mehr Wälder; andererseits bedroht eine wachsende Durchschnittstemperatur auch Arten und Lebensräume. "Die Menschheit hat die Natur über Jahrhunderte als ihren härtesten Feind betrachtet", sagte Inger Andersen, Chefin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. "Aber die Wahrheit ist: Sie kann unsere Rettung sein."

Bisher hat sich die Erde um rund 1,1 Grad Celsius erwärmt, verglichen mit der Zeit vor Beginn der Industrialisierung - also bevor Kohle, Öl und Gas den Fortschritt anzuheizen begannen. Im 2015 geschlossenen Klimaabkommen von Paris strebt die Staatengemeinschaft an, diesen Anstieg auf zwei Grad, nach Möglichkeit aber auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. 2018 hatte ein Sonderbericht des IPCC dargelegt, dass jedes Zehntelgrad jenseits der 1,5 Grad Celsius katastrophale Folgen wahrscheinlicher macht.

Davon geht auch der neue Bericht aus. "Ganze Ökosysteme könnten verloren gehen, selbst wenn wir die 1,5 Grad Celsius nur für ein paar Dekaden überschreiten", sagte der Bremerhavener Meeresbiologe Hans-Otto Pörtner, der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe, in der 270 Wissenschaftler aus 67 Ländern mitwirkten. "Die Schlüsselfrage ist: Wie gut passen wir uns an ein verändertes Klima an?" Weite Teile des Berichts gehen dieser Frage nach: Wie sich etwa durch andere Formen der Landwirtschaft, der Städteplanung oder durch Küstenschutz die schlimmsten Folgen lindern lassen. Aber auch eine solche "klimaresiliente Entwicklung" stoße bei steigenden Temperaturen an Grenzen. Jenseits von zwei Grad Celsius Erwärmung werde sie in einigen Weltregionen unmöglich.

Es gehe um "eine gewaltige Zukunftsaufgabe", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). "Die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffimporten und Klimaschutz sind dringendere Aufgaben denn je." Der Naturschutzbund Nabu forderte einen "Renaturierungsplan" für Deutschland, der 15 Prozent der Landes- und Meeresfläche umfassen müsse. "Schutz und Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme müssen auf allen Ebenen vorangetrieben werden", sagte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Natur- und Klimakrise hingen eng zusammen. Auch die Hilfsorganisation Brot für die Welt verlangte rasche Konsequenzen aus dem Bericht. "Schon heute sind arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen von klimabedingten Schäden und Verlusten am stärksten betroffen, obwohl sie am wenigsten zur Klimakrise beitragen", sagte deren Präsidentin Dagmar Pruin.

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