Ukraine-Krieg:Enttäuschung nach Gesprächen

Russland und die Ukraine wollen ihre Verhandlungen über eine Waffenruhe trotzdem am Dienstag fortsetzen.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Ungeachtet schwerer Angriffe auf Kiew haben Vertreter Russlands und der Ukraine am Montag weiter über eine Waffenruhe verhandelt. Die vierte derartige Gesprächsrunde, diesmal per Videokonferenz, wurde unterbrochen und soll an diesem Dienstag fortgesetzt werden. Es handle sich um eine technische Pause für zusätzliche Gespräche in Arbeitsgruppen, teilte Michail Podoljak mit, ein Mitglied der ukrainischen Delegation und Berater von Präsident Wolodimir Selenskij. Nach seinen Worten waren zudem der Abzug der russischen Truppen und Sicherheitsgarantien für die Ukraine Thema.

In Ankara suchte auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem Antrittsbesuch in der Türkei am Montag nach einer diplomatischen Lösung für einen Waffenstillstand. Diese forderte er gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Sie appellierten beide an Russlands Präsidenten Wladimir Putin: "Halten Sie inne." Scholz sagte: "Mit jedem Tag, mit jeder Bombe entfernt sich Russland mehr aus dem Kreis der Weltgemeinschaft, die wir miteinander bilden."

Der ukrainische Unterhändler Podoljak hatte am Sonntag gesagt, es gebe "einen Dialog" und Russland beginne, sich in den Gesprächen konstruktiver zu verhalten. Er rechne "in wenigen Tagen mit konkreten Ergebnissen". Auch russische Politiker zeigten sich vorsichtig optimistisch. Der Preis für Rohöl gab daraufhin in New York zeitweise um bis zu sechs Prozent nach. Allerdings zeigte sich Podoljak am Montag nach den Gesprächen deutlich skeptischer. In Russland herrsche "immer noch die Illusion, dass 19 Tage Gewalt gegen friedliche Städte die richtige Strategie sind", sagte er. Die ukrainische Hauptstadt wurde Ziel schwerer Angriffe mit Artillerie und Raketen, bei denen auch Wohnhäuser getroffen wurden.

Nach Einschätzungen westlicher Diplomaten sind Fortschritte in Richtung einer Waffenruhe am ehesten durch die bilateralen Gespräche möglich. Europa und die USA könnten diesen Prozess derzeit nur diplomatisch flankieren, ebenso wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Israels Premier Naftali Bennett oder Katar, die sich eingeschaltet haben. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Samstag 75 Minuten lang mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin telefoniert.

Erstmals gestand ein Vertrauter Putins aus dem engeren Zirkel des Kremlchefs ein, dass der Krieg nicht die erwarteten Fortschritte macht. - Er drohte indirekt zugleich aber mit einem noch weit härteren Bombardement ukrainischer Städte. Es gehe "nicht alles so schnell, wie wir es gerne hätten", schrieb General Viktor Solotow, Chef der Nationalgarde und früher zuständig für Putins persönliche Sicherheit, auf der Internetseite der Garde.

Das liege aber nur daran, dass "sich die Nazis hinter den Rücken der Zivilisten verstecken, hinter den Rücken der Alten, Frauen, Kinder". Sie bauten militärische Stellungen "in Kindergärten, Schulen, in Wohnhäusern" auf. Unter ähnlichen Vorwänden hatten die russischen Truppen in Syrien ganze Stadtviertel in Aleppo und den Vororten von Damaskus mit Luftangriffen und Artillerie in Trümmer gebombt.

Russische Truppen belagern derzeit in der Ukraine die Großstädte Charkiw, Sumi, Tschernihiw, Mykolajiw und Mariupol und versuchen überdies, die Hauptstadt Kiew einzuschließen. 2,8 Millionen Menschen sind außer Landes geflohen. Die russischen Truppen verstärkten vielerorts den Beschuss. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow bezeichnete im Gegensatz zu Solotow Russlands Kriegsanstrengungen als "erfolgreich", alle Pläne der russischen Führung würden "innerhalb des genehmigten Zeitrahmens vollständig verwirklicht".

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