Krieg in der Ukraine:Emotionaler Appell an die USA

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij wiederholt seine Forderung nach einer Flugverbotszone. Nato-Generalsekretär Stoltenberg fürchtet jedoch eine Eskalation.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat erneut von den USA gefordert, eine Flugverbotszone über seinem Land durchzusetzen. In einer Rede vor dem US-Kongress sagte Selenskij drei Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen sein Land, er habe vor allem eine Pflicht: "Ich muss unseren Luftraum schützen." Für den Fall, dass die USA weiter nicht bereit seien, eine Flugverbotszone einzurichten, sollte Washington Flugzeuge und Flugabwehrsysteme übergeben, sagte Selenskij. Er erinnerte an den japanischen Angriff im Dezember 1941 auf die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor und auch an die Terroranschläge von 9/11: "Wenn Sie an die Ukraine denken, dann erinnern Sie sich an die Angriffe vom 11. September 2001." US-Präsident Joe Biden wollte US-Medien zufolge am frühen Mittwochabend weitere Hilfen für die Regierung in Kiew bekannt geben.

Bei einem Sondertreffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel wurde deutlich, dass die Militärallianz eine Flugverbotszone weiter ablehnt. Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, die Nato habe "die Verantwortung dafür, dass diese Krise nicht über die Ukraine hinaus" eskaliere. Die Verteidigungsminister begannen am Mittwoch eine Diskussion über die mittel- und langfristigen Konsequenzen, die aus der neuen Sicherheitslage zu ziehen sind. Über die Vorschläge Stoltenbergs, die offenbar eine dauerhafte Stationierung von Nato-Kampftruppen im östlichen Bündnisgebiet vorsehen, sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD): "Da muss man sehr genau noch darüber reden, ob diese Größenordnung tatsächlich erforderlich ist." Erste Entscheidungen sind für Ende Juni vorgesehen.

Unterdessen warf Russlands Präsident Wladimir Putin dem Westen vor, eine Zerschlagung Russlands im Schilde zu führen. Dieser Versuch werde scheitern, sagte Putin am Mittwoch. Sein Land habe keine andere Wahl als den "militärischen Sondereinsatz" in der Ukraine gehabt. Moskau sei bereit, einen neutralen Status der Ukraine zu erörtern, und werde die Ziele seiner Militäraktion erreichen, die nach Plan verlaufe.

Auf Twitter erklärte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak: "Unsere Position bei den Verhandlungen ist recht klar: Sicherheitsgarantien, Waffenstillstand und ein Rückzug russischer Truppen." Eine Einigung sei aber nur im direkten Austausch zwischen Putin und Selenskij möglich. Zuvor hatte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow skeptisch über ein solches Treffen geäußert. Er sprach aber von einer "gewissen Hoffnung", in den Verhandlungen einen Kompromiss zu erzielen. Der russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge nannte auch Kremlsprecher Dmitrij Peskow eine entmilitarisierte Ukraine nach dem Beispiel Österreichs oder Schwedens eine mögliche Verhandlungslösung.

Unterdessen ist ein Ende der Kämpfe in der Ukraine nicht in Sicht. In der Nacht auf Mittwoch wurde aus mehreren Städten Alarm gemeldet. Die schlimmste Lage herrsche weiter rund um die umkämpfte Hafenstadt Mariupol, hieß es. In der Region Odessa sei die Küste von russischen Schiffen beschossen worden, teilte ein Berater des ukrainischen Innenministeriums mit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: