Justizpolitik:Extremist im Ehrenamt

Bei Schöffen wird Verfassungstreue kaum geprüft - bislang.

Von Ronen Steinke

Zuletzt ist viel über rechtsextreme Richter gesprochen worden. Radikale in Roben, so wie der AfD-Jurist Jens Maier in Sachsen - und wie man sie loswird. Weniger Aufmerksamkeit gilt dagegen den Normalbürgern, die immer wieder für kurze Zeit neben Richtern Platz nehmen und dort auch mitentscheiden dürfen: den Schöffen. Ohne Robe, aber mit Macht. Bei ihnen gibt es ein Screening auf Verfassungstreue bislang so gut wie gar nicht.

Das wirkt ziemlich leichtsinnig, wenn man bedenkt, wie AfD, NPD und Pegida in sozialen Netzwerken dafür werben, für diese Posten zu kandidieren. So die AfD Köln mit dem Slogan: "Werdet Schöffen und sorgt für Gerechtigkeit in Strafprozessen", Pegida schrieb: "Jeder tue was er kann, mit dem was er hat, da wo er ist", die NPD: "Der Rechtsstaat braucht uns - werdet Schöffen!" 2016 bezeichnete eine Berliner Schöffin auf Facebook Asylbewerber als "Halbwilde und Tiere".

Richter im Ehrenamt gibt es zu Tausenden in Deutschland, sie entscheiden in Strafsachen wie in Handelssachen, an Verwaltungs- wie an Arbeitsgerichten. Sie werden von Kommunen und Verbänden nominiert und von den Gerichten ausgewählt. Nicht immer ist Zeit, sie genauer kennenzulernen. Nicht immer reden sie auch so furchtbar viel. Inzwischen hat das Problem die Justizminister von Bund und Ländern auf den Plan gerufen. Der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will eine neue, striktere Regel einführen.

Während Schöffen bisher nur auf eine mögliche frühere Stasi-Mitgliedschaft zu überprüfen sind, wie es im Paragrafen 44a des Richtergesetzes steht, schlägt der FDP-Politiker vor: Künftig "soll" es auch ein K.-o.-Kriterium sein, wenn jemand "keine Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt". Das Zauberwort aber ist "soll". Buschmann plant nicht, eine zwingende Regel einzuführen. So geht es aus einem Entwurf hervor, den er an seine Länderkollegen verschickt hat.

Der hessischen CDU-Justizministerin geht das nicht weit genug. Eva Kühne-Hörmann hat jetzt in einem Brief an Buschmann angemahnt: Wer nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, dürfe "auf keinen Fall" Schöffe werden. Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Die CDU-Politikerin will keine Soll-, sondern eine Muss-Vorschrift gegen Extremisten. Die Verfassungstreue sei für hauptamtliche Richter schon heute zwingende Voraussetzung, schreibt Kühne-Hörmann. "Diese Selbstverständlichkeit muss gleichermaßen für ehrenamtliche Richterinnen und Richter gelten."

Die Zurückhaltung im Bundesjustizministerium hat mit der Sorge zu tun, Urteile könnten künftig reihenweise für ungültig erklärt werden, wenn sich herausstellt, dass irgendwo ein Extremist mit beteiligt war. Aber dieses Problem will die hessische Justizministerin gerne in Kauf nehmen. "Die Verfassungstreue von Richterinnen und Richtern ist ein derart hohes Gut", schreibt sie. Zustimmung kommt von der Neuen Richtervereinigung, die erklärt: Wenn ein Verurteilter sich überhaupt nicht dagegen wehren könne, dass auf der Richterbank ein Neonazi saß, weil es weiter nicht "zwingend" einen Anspruch auf verfassungstreue Schöffen gebe, dann bringe das ja nichts.

Anmerkung der Redaktion:

In einer früheren Version des Beitrags hieß es: "Schöffen gibt es zu Tausenden in Deutschland, sie entscheiden in Strafsachen wie in Handelssachen, an Verwaltungs- wie an Arbeitsgerichten." Begrifflich war dies ungenau, da nur in der Strafgerichtsbarkeit als "Schöffen" bezeichnete ehrenamtliche Richter tätig werden, die Aussage sich jedoch auf ehrenamtliche Richter im Allgemeinen bezog. Ehrenamtliche Richter, die an den Kammern für Handelssachen tätig sind, heißen Handelsrichter, diejenigen, die am Arbeits- oder Verwaltungsgericht eingesetzt werden, ehrenamtliche Richter.

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