Pandemie:Ein bisschen Klarheit

Karl Lauterbach (SPD) und Marco Buschmann (FDP) während der Corona-Pandemie in Berlin

Schwierige Lage: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, r.) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) in Berlin.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Gesundheitsminister Lauterbach appelliert in einer Schalte an seine Länderkollegen, von der Hotspot-Regelung Gebrauch zu machen. Dafür nennt er ein paar Kriterien - und lehnt Nachverhandlungen ab.

Von Michaela Schwinn

Noch ist von der neuen Freiheit wenig zu spüren: Die meisten Schulkinder und Supermarktkunden tragen weiter Maske, wer ins Museum oder Restaurant will, braucht entweder einen Impfnachweis oder einen negativen Test. In wenigen Tagen soll sich das allerdings ändern, dann endet die Schonfrist der Bundesländer, dann laufen fast alle Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus aus. Trotz heftiger Kritik der Länder hatte die Ampel-Koalition eine neue bundesweite Rechtsgrundlage durchgesetzt, die nur noch wenige Einschränkungen wie Masken und Tests in Kliniken oder Pflegeheimen erlaubt. Andere Regeln wie eine Maskenpflicht in Geschäften oder 3G im Restaurant sollen nur noch in Ausnahmefällen möglich sein, nämlich in sogenannten Hotspots - Regionen, die das Virus besonders hart trifft.

Dass gerade jetzt, wo viele Bundesländer Rekord-Inzidenzwerte verzeichnen, wo wieder mehr Corona-Patienten auf den Intensivstationen liegen, alle Beschränkungen wegfallen sollen, stößt bei vielen Landesregierungen auf Unverständnis. Auch die Hotspot-Regelung, die jedes Bundesland selbstständig umsetzen soll, halten einige Ministerpräsidenten für nicht durchdacht. Denn viele Fragen blieben bisher offen: Wann wird ein Ort zum Hotspot? Wann ist das Gesundheitssystem am Limit? Und kann ein ganzes Bundesland zum Hotspot erklärt werden oder nur einzelne Regionen?

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Bei einer Schalte des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) mit den Gesundheitsministern der Länder am Montag wurde deren Kritik nochmals deutlich. Lauterbach sprach von einer "konfliktgeladenen Situation": Einige Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, Saarland und Hessen hatten gefordert, das Infektionsschutzgesetz noch einmal zu überarbeiten, die bundesweite Maskenpflicht beizubehalten oder zumindest die Übergangsfrist für weitere vier Wochen zu verlängern. Diesen Forderungen erteilte Lauterbach eine Absage: Die Anträge seien abgelehnt worden, sie hätten keine Mehrheit gefunden. "Für Nachverhandlungen gibt es keine rechtliche Grundlage", sagte der SPD-Politiker, betonte aber, dass er selbst gerne die Maskenpflicht beibehalten hätte, wenn es rechtlich möglich gewesen wäre.

Bei der Schalte mit den Gesundheitsministern der Länder versuchte Lauterbach in Hinblick auf die Hotspot-Regelung etwas Klarheit zu schaffen. Vier Kriterien sollen den Landesregierungen demnach dabei helfen, einen Hotspot zu bestimmen: Dazu zähle es, wenn Kliniken geplante Operationen wegen Corona absagen müssen, wenn die Notfallversorgung gefährdet sei, in der Pflege Untergrenzen unterschritten würden oder Patienten in andere Krankenhäuser verlegt werden müssten. Würde eines dieser Szenarien auch nur drohen, könnten die Bundesländer die Hotspot-Regelung umsetzen und die Maßnahmen wieder verschärfen, sagte Lauterbach.

Die FDP warnt davor, ganze Bundesländer als Hotspot einzustufen

Eindringlich appellierte er an die Länder, die Hotspot-Regelung auch zu nutzen: "Wir müssen handeln." Mit dieser Forderung dürfte der Gesundheitsminister in vielen Bundesländern offene Türen einrennen: So hat Mecklenburg-Vorpommern bereits das ganze Land bis Ende April zum Hotspot erklärt. Hamburg hat dasselbe vor, obwohl der Stadtstaat die bundesweit niedrigste Inzidenz hat. Andere Länder wie Baden-Württemberg würden Maßnahmen wie die Maskenpflicht in Innenräumen gerne beibehalten, sehen aber rechtliche Probleme bei der Durchsetzung der Hotspot-Regelung. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hingegen lehnt es ab, ganz Bayern als Hotspot einzustufen: "Ich bin dagegen, dass man alles absagt, sondern wir bleiben vorsichtig", sagte er am Montag.

Während Gesundheitsminister Lauterbach ausdrücklich betonte, dass auch ganze Bundesländer als Hotspot ausgewiesen werden können, falls eine gesundheitliche Notlage drohe, und ihnen dabei sogar seine Hilfe anbot, warnt der Koalitionspartner FDP davor, die Anwendung der Regel zu überreizen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr machte deutlich, dass die Hotspot-Regel darauf ziele, wenn "in einzelnen Städten oder Kommunen" eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe. Sie sei "an strenge Voraussetzungen geknüpft und darf eindeutig nicht pauschal angewandt werden", sagte er in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Länder seien nicht wehrlos. "Wer etwas anderes behauptet, hat entweder das Gesetz nicht verstanden oder scheut sich, Verantwortung zu tragen."

Das Ende der Corona-Maßnahmen fällt in eine Zeit mit hohen Infektionszahlen. Das Robert Koch-Institut meldete am Montag 67 501 neue Corona-Infektionen binnen eines Tages. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche liegt derzeit im Bundesdurchschnitt bei 1 700,6. In rund 20 Landkreisen liegt diese Inzidenz aber bei mehr als 3000.

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