Industrie:Thyssenkrupp fürchtet zu strengen Emissionsrechtehandel

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"Wir schauen auch mit Sorge auf die anstehende Entscheidung des EU-Parlaments": Der Chef der Stahlwerke von Thyssenkrupp, Bernhard Osburg, hier zusammen mit der damaligen Umweltministerin Svenja Schulze. (Foto: thyssenkrupp)

Deutschlands größter Stahlhersteller emittiert viel CO₂. Wenn sich das schlagartig verteuert, fehle das Geld für Investitionen in klimaschonende Technologien, warnt der Chef der Werke.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

CO₂ kann man weder sehen noch riechen, das macht das Treibhausgas so tückisch. Doch wenn man es könnte, wäre das Werk von Thyssenkrupp in Duisburg ein Hotspot: Deutschlands größter Stahlhersteller produziert hier aus Eisenerz und Kohle rohes Eisen und daraus Stahl, der letztlich in Autoteilen oder Waschmaschinen landet. Doch die Klimabilanz ist erdrückend: Das Werk am Rhein verursacht etwa zwei Prozent aller Treibhausgas-Emissionen Deutschlands.

Dementsprechend wichtig ist die Zukunft des Emissionsrechtehandels für Bernhard Osburg. "Wir schauen mit großer Spannung und auch mit Sorge auf die anstehende Entscheidung des EU-Parlaments", sagt der Chef der Stahlwerke von Thyssenkrupp. Für die geht es um sehr viel Geld - und letztlich auch um die Zukunft in einem klimaneutralen Europa.

Seit dem Jahr 2005 muss die Industrie CO₂-Emissionsrechte kaufen. Jahr für Jahr kommen weniger Zertifikate auf den Markt, wodurch jedes tendenziell teurer wird. Die EU ging damit weltweit voran. Doch weil eine Branche wie die Stahlindustrie im internationalen Wettbewerb steht, bekommt sie bislang etwa 80 Prozent der Zertifikate kostenlos zugeteilt.

Doch damit soll bald Schluss sein. "Der Vorschlag der EU würde bedeuten: drastische Kürzung der Freizuteilungen", konstatiert Osburg, "was uns ab 2026 die Mittel entziehen würde, die wir brauchen, um in die Transformation zu investieren." Allerdings plant Brüssel im Gegenzug einen sogenannten CO₂-Grenzausgleich: Auf importierte Stähle von außerhalb der EU soll eine Art Zoll kommen, je nach Klimabilanz. "Doch so einen CO₂-Grenzausgleich hat es noch nie gegeben", sagt Osburg skeptisch. "Und man kann die CO₂-Bilanz einzelner Importprodukte nur schwer messen."

Der Konzern sprach kürzlich von drohenden Milliarden-Ausgaben für CO₂-Zertifikate

Klar ist, dass Firmen wie Thyssenkrupp künftig mehr Emissionsrechte kaufen müssen. Der Konzern sprach kürzlich von zusätzlichen Milliarden-Ausgaben vom Jahr 2026 an. Osburg hofft nun noch auf einen Kompromissvorschlag der Bundesregierung, wonach die Zahl der frei zugeteilten Zertifikate nur um fünf Prozent pro Jahr abschmelzen soll, wenn der geplante Grenzausgleich kommt. "Das halten wir für einen gangbaren Weg", sagt Osburg.

Der Duisburger versucht selbst mit dem Klimaschutz zu argumentieren: "Wir wollen und müssen Milliarden investieren, damit wir zu einer CO₂-armen und CO₂-neutralen Stahlerzeugung kommen." So will Thyssenkrupp die Hochöfen nach und nach durch neue Anlagen ersetzen, die Erz mit Erdgas und langfristig mit Wasserstoff statt mit Kohle verarbeiten. Das schont das Klima, wenn der Wasserstoff zuvor mit viel Ökostrom erzeugt wird.

"Solche Investitionen müssen finanziert werden", mahnt Osburg, "der Staat wird sie uns nicht vollständig abnehmen." Doch das nötige Geld könne Thyssenkrupp nur mit den vorhandenen Anlagen verdienen. "Die bestehende Technologie droht jetzt so viel teurer zu werden, dass es schwierig würde, diese Kosten an unsere Kunden weiterzugeben." Die Firma spricht sich daher für weitere Freizuteilungen aus - für Betriebe, die nachweislich in klimaschonende Technologien investieren. "Es ist nicht klug, vorne schneller abzuschmelzen, als man hinten transformieren kann", sagt Osburg.

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