Deutsche Außenpolitik:Klingbeil stimmt SPD auf "Zeitenwende" ein

Deutsche Außenpolitik: "Die Signale aus Russland hätten wir anders sehen müssen", räumt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil am Dienstag ein.

"Die Signale aus Russland hätten wir anders sehen müssen", räumt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil am Dienstag ein.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Der Chef der Sozialdemokraten räumt Fehler seiner Partei in der Russlandpolitik ein. Er fordert eine breite Debatte über osteuropäische Interessen, militärische Gewalt - und Deutschlands neue Rolle.

Von Daniel Brössler, Berlin

SPD-Chef Lars Klingbeil will seine Partei hinter der Neuausrichtung in der Außen- und Sicherheitspolitik versammeln, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem russischen Überfall auf die Ukraine verkündet hat. "Nicht das Reden über Krieg führt zum Krieg. Das Verschließen der Augen vor der Realität führt zum Krieg", sagte Klingbeil am Dienstag in einer Grundsatzrede bei der Tiergarten-Konferenz der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin.

"Friedenspolitik bedeutet für mich, auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen", betonte er. Der 44-Jährige forderte über das beschlossene 100-Milliarden-Vermögen hinaus einen "anderen gesellschaftlichen Umgang" mit der Bundeswehr. Notwendig sei eine "neue Normalität".

Klingbeil mahnte eine umfassende Debatte über die Konsequenzen der von Scholz drei Tage nach Beginn des Angriffskrieges konstatierten Zeitenwende an. "Wir sind nicht schuld an Putins Krieg, aber wir müssen uns selbstkritisch fragen, was wir vor dem 24. Februar hätten anders machen können", sagte der Co-Vorsitzende der Sozialdemokraten. Zu lange habe man in Deutschland geglaubt, dass sich "am Ende alles schon wieder einordnen" und die regelbasierte Ordnung durchsetzen würde.

"Die Signale aus Russland hätten wir anders sehen müssen. Spätestens mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim", räumte Klingbeil ein. Damit reagierte er auch auf Kritik insbesondere an der Russlandpolitik der SPD. Eine Abhängigkeit wie die von Russland bei der Energieversorgung dürfe sich nicht wiederholen. Fehler gab Klingbeil auch im Umgang mit den ost- und mitteleuropäischen Ländern zu. Deren Sorgen vor weiteren Aggressionen durch Russland müssten ernst genommen werden. Ein intensiverer Dialog sei ihm "persönlich" wichtig, betonte er. Kommende Woche werde er zu Gesprächen nach Litauen und Polen reisen.

"Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben."

Die Bundesrepublik müsse überdies den internationalen Erwartungen gerecht werden, appellierte Klingbeil. "Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben", sagte er. Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung habe es "eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem". Das Land habe sich ein hohes Maß an Vertrauen erarbeitet und Erwartungen geweckt.

Führung bedeute aber nicht, "breitbeinig oder rabiat aufzutreten". Deutschland müsse sich um einen kooperative Führungsstil bemühen. Als Führungsmacht müsse es ein "souveränes" Europa massiv vorantreiben. "Deutschland kann nur stark sein, wenn Europa stark ist", sagte er. Der von Bundeskanzler Scholz für die Ukraine und Moldau forcierte EU-Kandidatenstatus sei "extrem wichtig". Zwar dürfe es "keinen Rabatt für die Beitrittskandidaten" geben, die Erweiterung müsse aber als "geopolitisches Projekt" aktiv vorangetrieben werden. Zugleich seien innere Reformen der EU zwingend. Nur so werde die EU "aufnahmefähig".

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