Klimaschutz:Wann verbietet die EU den Verbrenner?

Klimaschutz: Stau in München: Geht es nach der EU-Kommission, sollen in Zukunft nur noch Elektroautos die Straßen verstopfen. Die EU-Umweltminister ringen um eine Position dazu.

Stau in München: Geht es nach der EU-Kommission, sollen in Zukunft nur noch Elektroautos die Straßen verstopfen. Die EU-Umweltminister ringen um eine Position dazu.

(Foto: Florian Peljak)

Europas Umweltminister versuchten am Dienstag, sich auf Positionen zu wegweisenden Gesetzen zu einigen. Es geht um die Zukunft der Mobilität, härtere Vorgaben für die Industrie und viele Milliarden Euro.

Von Björn Finke und Christina Kunkel, Brüssel/München

Klimaschutzminister Robert Habeck gibt sich staatstragend am Dienstagmorgen: "Sollten wir heute nicht zu einem Ergebnis kommen, würde es als Niederlage nicht nur dieser Runde gesehen werden, sondern für Europa", sagt der Grünen-Politiker während des Treffens der EU-Umweltminister in Luxemburg. Habeck ist zusammen mit Parteifreundin und Umweltministerin Steffi Lemke angereist, um mit den europäischen Amtskollegen Positionen zu ebenso wichtigen wie umstrittenen Klimaschutz-Gesetzen auszuhandeln. Die Minister wollen sich auf die Verschärfung des Emissionshandels verständigen und darauf, ob und wann Neuwagen keinen Verbrennungsmotor mehr haben dürfen.

Die Debatten dauerten zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch an. Die EU-Kommission schlug in ihrem Gesetzentwurf zum Kohlendioxidausstoß von Autos vor, dass von 2035 an de facto nur noch Elektrofahrzeuge neu zugelassen werden können. Das Europaparlament unterstützt diesen Vorschlag. Jetzt war es an den EU-Umweltministern, eine Verhandlungsposition zu verabschieden, damit im Herbst die Gespräche zwischen Ministerrat, dem Gremium der Mitgliedstaaten, und dem EU-Parlament über die finale Version des Rechtsakts beginnen können.

Die Diskussion unter den Ministern wurde dadurch verkompliziert, dass in Berlin FDP und Grüne darüber stritten, wie die Bundesregierung abstimmen soll. Italien und vier andere Mitgliedstaaten forderten zudem vor dem Treffen, Verbrenner-Modelle erst 2040 komplett zu bannen. Italiens Umweltminister Roberto Cingolani machte aber während der Sitzung klar, dass er mit einem Verbot 2035 einverstanden wäre, wenn es Ausnahmen für E-Fuels gäbe, klimaneutrale Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren.

Noch bedeutender für die grünen Ziele der EU ist die Verschärfung des Emissionshandels, des wichtigsten Klimaschutz-Instruments. Der Gesetzentwurf würde den Ausstoß von Klimagasen für die Industrie verteuern; außerdem sollen künftig auch Sprit sowie Öl oder Gas zum Heizen unter das System fallen. Um Belastungen für die Bürger abzufedern, sollen Einnahmen aus dieser Ausweitung einen neuen EU-Klimasozialfonds füllen. Der soll nationale Hilfsprogramme zum Energiesparen unterstützen und würde Geld von reicheren zu ärmeren Mitgliedstaaten umverteilen.

Habeck gibt sich wieder spendabel

Die Bundesregierung setzte sich aber dafür ein, das Volumen des Topfes drastisch einzudampfen. Osteuropäische Regierungen wollen der Verschärfung des Emissionshandels jedoch nur zustimmen, wenn sie ausreichend Finanzhilfen aus Brüssel erhalten - Berlins Sparsamkeit riskierte also ein Scheitern der Reform. Am Dienstag gab sich Habeck zu Beginn der Verhandlungen allerdings wieder großzügiger: Der Fonds könne bis 2032 fast 49 Milliarden Euro ausschütten, nicht bloß 18 Milliarden Euro, wie die Bundesregierung zuvor gefordert hatte, sagte der Grüne seinen EU-Amtskollegen. Ob das den Durchbruch bringt, war zunächst unklar.

Sollte das umstrittene Verbrenner-Aus wirklich kommen, würde das die Zulieferer in Deutschland stärker treffen als die Fahrzeughersteller. Denn die haben sich mittlerweile alle auf die Batterietechnologie als Zukunftsantrieb festgelegt. Mercedes etwa will schon bis 2030 in der Lage sein, nur noch Elektroautos auszuliefern, selbst der Sportwagenbauer Porsche plant bis Ende dieses Jahrzehnt mit mehr als 80 Prozent Batteriewagen.

Bei den Zulieferern schlägt der Wechsel von Kolben, Getriebe und Co. auf die Batterie dagegen härter ein. Für Elektroantriebe braucht es deutlich weniger Teile - und bei dem, was es noch braucht, ist die Konkurrenz aus Asien deutlich größer. Manch kleiner Zulieferer hat sein gesamtes Geschäftsmodell auf Teilen für den Verbrenner aufgebaut. Es ist sehr schwer, das alles umzubauen, auch hin zu mehr Software, die dann wieder anderes Expertenwissen benötigt. Da wäre es durchaus ein kleiner Strohhalm, wenn man sich dank einer Ausnahme für E-Fuels, für synthetische klimaneutrale Kraftstoffe, weiter mit Motoren beschäftigen könnte.

Es gibt viel zu wenige Werke für E-Fuels

Zumal sich die Autoindustrie überwiegend einig ist, dass es E-Fuels braucht, um die Klimaziele zu erreichen. Doch geht es bei diesem Kalkül nicht um Neuwagen, sondern um die vielen Millionen Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die es nach 2035 weiter geben wird. Und ein Verbrenner fährt mit E-Fuels weniger umweltschädlich als mit Benzin oder Diesel.

Manche aus der Industrie fürchten allerdings, dass ein komplettes Verbrenner-Aus ohne E-Fuels-Ausnahmen den Anreiz zerstöre, überhaupt in Anlagen für diese synthetischen Kraftstoffe zu investieren. So ein Verbot "hat schon auch was Populistisches", sagt daher einer aus der Autobranche. Investitionen wären bitter nötig: Chemiewerke produzieren die E-Fuels aus Wasserstoff und CO₂, mit hohem Stromverbrauch, aber klimaneutral, wenn Ökostrom genutzt wird. Doch von diesen Anlagen gibt es bisher viel zu wenige. Selbst die Kraftstoffindustrie geht mit Blick auf die aktuellen Pläne davon aus, dass E-Fuels 2035 nur drei Prozent des Bedarfs in Europa decken können.

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