Garmisch-Partenkirchen:Ermittler nehmen Unglücksstrecke ins Visier

Lesezeit: 3 min

Das Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen liegt einen Monat zurück. Möglicherweise waren die Schwellen in dem Gleisabschnitt beschädigt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Erste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Schäden an der Trasse zu der tödlichen Katastrophe geführt haben könnten. Jetzt müssen Züge in Bayern an vielen Stellen langsamer fahren.

Von Markus Balser und Klaus Ott, Berlin, München

Nach dem Zugunglück vor einem Monat in Garmisch-Partenkirchen mit fünf Toten und zahlreichen Verletzten zeichnet sich ab, dass Schäden an der Strecke zu dem Unfall geführt haben könnten. In einer Unterlage des Bundesverkehrsministeriums ist von schadhaften Betonschwellen die Rede. Ein Teil der Schwellen in diesem Streckenabschnitt habe "offenbar horizontale Brüche" aufgewiesen. Unter der Last des doppelstöckigen Regionalzuges soll sich dann eine Schiene nach außen verbogen haben. Das könnte dazu geführt haben, dass der Zug aus der Spur geriet und mehrere Waggons entgleisten.

Sollte das tatsächlich der Fall gewesen sein, dann wäre das Unglück letztlich eine Folge des teilweise stark sanierungsbedürftigen Schienennetzes in Deutschland. Offenbar um keine weiteren Unfälle zu riskieren, hat die Deutsche Bahn (DB) anschließend auf zahlreichen Strecken zusätzliche Langsam-Fahrstellen (La-Stellen) wegen Oberbaumängeln eingerichtet. Das Staatsunternehmen DB äußert sich dazu nicht. Es gilt aber als sicher, dass die Bahn nach dem Zugunglück doppelte Vorsorge walten lassen will.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Bei Oberbaumängeln sind Schienen, Schwellen oder Gleisbett nicht mehr in Ordnung. Züge dürfen die betreffenden Stellen dann nur langsam befahren, teilweise im Bummeltempo mit 20 Stundenkilometern. Einem aktuellen Verzeichnis zufolge hat die Bahn im Juni sogenannte Langsam-Fahrstellen auch auf der Strecke von München über Garmisch-Partenkirchen nach Mittenwald eingerichtet, die ab Tutzing am Starnberger See weitestgehend eingleisig ist. Des Weiteren betroffen sind die Linien von München nach Rosenheim oder im Oberland bei Bad Tölz beziehungsweise zwischen Schliersee und Bayrischzell sowie einige weitere Strecken.

Der Vorstandschef der Bahn, Richard Lutz, hat vor wenigen Tagen erklärt: "Wir machen keine Kompromisse bei der Sicherheit." Das wiederum wirft die Frage auf, was genau bei Garmisch-Partenkirchen geschehen ist. Schadhafte Schwellen werden bei den regelmäßigen Inspektionen normalerweise entdeckt. Das wiederum führt dazu, dass dort Langsam-Fahrstellen eingerichtet werden, die je nach Lage vor Ort unterschiedlich lang sind. Mal 50 Meter, mal 100 Meter, mal mehrere Hundert Meter oder auch mehrere Kilometer.

Die Lokführer bekommen Befehl Nummer 12

Sollten solche La-Stellen noch nicht ausgeschildert sein und auch noch nicht in dem täglichen La-Verzeichnis der Deutschen Bahn enthalten sein, dann bekommen die Lokführer vor der Fahrt den sogenannten Befehl Nummer 12. Dieser Befehl besagt, dass der Zug die betreffende Stelle nur mit verringerter Geschwindigkeit passieren darf oder gar "auf Sicht" gefahren werden muss. Was nun genau bei dem verunglückten Regionalzug vorgefallen ist, das untersucht die Staatsanwaltschaft München II.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in alle Richtungen, konzentriert sich derzeit aber auf den Zustand der Strecke. Das zeigt alleine schon der Umstand, dass der betreffende Abschnitt nach wie vor untersucht wird und noch nicht zur Reparatur freigegeben ist. Wie lange die Untersuchungen vor Ort noch dauern, ist derzeit noch nicht absehbar. Die Strecke bleibt bis auf Weiteres gesperrt.

Neben der Staatsanwaltschaft ist auch die Bundesstelle für Eisenbahnuntersuchungen (BEU) tätig. Die BEU hat die Aufgabe, die "Ursachen von gefährlichen Ereignissen im Eisenbahnbetrieb" aufzuklären. Das soll dazu führen, künftige Unfälle zu vermeiden und das Bahnfahren noch sicherer zu machen. Die BEU unterliegt der Dach- und Rechtsaufsicht des Bundesverkehrsministeriums, agiert aber bei ihren Untersuchungen eigenständig und unabhängig.

Der Sanierungsbedarf am Schienennetz ist unbestritten

Zu dem Unglück bei Garmisch-Partenkirchen gibt es bislang keinen Bericht der Bundesstelle, die Untersuchungen dauern an; ebenso wie bei der Staatsanwaltschaft. Bei der Unterlage des Bundesverkehrsministeriums handelt es sich um erste, vorläufige Erkenntnisse. Schäden am Zug, die zu dem Unglück geführt haben könnten, gelten inzwischen aber offenbar als weitgehend ausgeschlossen. Je nachdem, was am Ende herauskommt, könnte der Sanierungsbedarf für das Schienennetz in Deutschland weiter steigen.

Darauf verweist Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter der Grünen. Der Verkehrspolitiker sagt, sollten Mängel an der Strecke zu dem Unfall geführt haben, müsse sorgfältig und zügig untersucht werden, inwieweit das auch andere Strecken betreffen könnte. Und inwieweit die Bundesregierung zusätzlich Geld für die Sanierung des Schienennetzes ausgeben müsse. "Fest steht: Der Sanierungsbedarf des Netzes steigt aktuell weiter an, insgesamt liegt er aktuell bei circa 50 Milliarden Euro." Der Sanierungsbedarf gehe "grundsätzlich erst mal nicht mit Sicherheitsmängeln im Netz einher", könne aber zu weiteren Langsam-Fahrstellen führen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivMarode Schienenstrecken
:"Man hat die regionalen Netze vernachlässigt"

An mehr als 350 Stellen im Freistaat müssen die Züge besonders vorsichtig unterwegs sein, weil Gleise und Brücken in die Jahre gekommen sind. Das Unglück bei Garmisch-Partenkirchen lenkt den Blick auf jahrzehntelange Versäumnisse von Bahn und Politik.

Von Sebastian Beck, Maximilian Gerl, Andreas Glas, Matthias Köpf und Klaus Ott

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: