Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle:Den Finger in die Wunde legen

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Ferda Ataman, Beauftragte der Bundesregierung für Antidiskriminierung, stellt am Dienstag den Jahresbericht ihrer Dienststelle vor. (Foto: Wolfgang Kumm/DPA)

Ferda Ataman, die umstrittene neue Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, will die Aufmerksamkeit von ihrer Person auf das Thema Benachteiligung lenken.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Ferda Ataman sitzt am Kopfende eines langen, schmalen Konferenzsaals, der trotz Berliner parlamentarischer Sommerpause gut besetzt ist. Am Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, der an diesem Dienstag vorgestellt werden soll, liegt es wohl kaum, dass auch weit hinten noch Journalisten sitzen. Von dort ist Ataman nur ziemlich klein in der Ferne zu erkennen.

Es ist die neue Antidiskriminierungsbeauftragte selbst, die diese Aufmerksamkeit auf sich zieht. Als die ebenfalls neue Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) die Publizistin für das Amt vorschlug, war die Aufregung groß. Ataman? War das nicht die Vorsitzende des Vereins, der für "besonders unterirdische Berichterstattung" über das Zusammenleben im Einwanderungsland Deutschland die "Goldene Kartoffel" verleiht? Ist so etwas nicht irgendwie auch diskriminierend - und dann Antidiskriminierungsbeauftragte, ernsthaft? So etwa schwappte die Empörungswelle durchs Land. Anfang Juli wurde Ataman trotzdem gewählt, 376 Bundestagsabgeordnete stimmten für sie, 278 gegen sie, 14 enthielten sich.

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Und nun sitzt sie in diesem Saal der Bundespressekonferenz, sagt "herzlich willkommen" und hält lächelnd den orangefarbenen Jahresbericht in die Kameras. Der beziehe sich auf 2021, also "eine Zeit vor meiner Tätigkeit", sagt sie gleich zu Beginn. Jetzt, frisch im Amt, will sie offenbar nichts falsch machen und liest ihr Statement sicherheitshalber erst mal ab.

Zwei Schwerpunkte habe der Bericht, den Antiziganismus und die Diskriminierungsberatung. Letztere führt direkt zu dem grundsätzlichen Problem, das mit dem Bericht und der Erfassung von Diskriminierung verbunden ist: Gerade einmal 5617 Anfragen verzeichnete die Antidiskriminierungsstelle 2021. Gemessen daran, dass die Benachteiligung von Menschen - wegen ihres Alters, ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder wegen einer Behinderung - ein Alltagsphänomen ist, erscheint diese Zahl in einem Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern beeindruckend klein.

Mehr Aufklärung, mehr Beratung, eine Reform des Gleichbehandlungsgesetzes

Allerdings, die Zahlen seien weder repräsentativ noch umfassend, sagt Ataman. Ein Lagebild der häufigsten Fälle von Diskriminierung gäben sie trotzdem her. Demnach erfolgten 2021 die meisten Beratungsanfragen zu rassistischer Diskriminierung, gefolgt von Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. "Wir können Diskriminierung nicht in Zahlen fassen", sagt Ataman, es gebe lediglich Umfragen zu persönlichen Erfahrungen mit Diskriminierung - diese wiederum ließen den Schluss zu, dass sie in Deutschland leider zum Alltag gehöre.

Die 42-Jährige hat für ihre Amtszeit einiges vor. Sie will unter anderem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz reformieren, das hat sich auch die Ampelregierung vorgenommen. Außerdem müsse es viel mehr Beratungsstellen geben, findet Ataman, und mehr Aufklärung darüber, dass man vor Benachteiligungen rechtlich geschützt ist.

Ob sie die Richtige sei für das Amt, wird sie dann noch gefragt. "Ich würde sagen ja", antwortet Ataman. Bei dem Thema Benachteiligung sei es wichtig, "dass man den Finger in die Wunde legt und die Probleme anspricht". Die "sehr ausführliche Diskussion" vor ihrer Wahl habe sie "aus demokratietheoretischer Sicht" großartig gefunden. Auch für die Antidiskriminierungsstelle sei das gut, sie werde dadurch mehr wahrgenommen. Diese Aufmerksamkeit auf das Thema Diskriminierung und die davon betroffenen Menschen zu lenken, sei jetzt ihr Ziel.

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