Türkei-Griechenland:Konflikt im Windschatten

Türkei-Griechenland: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wirft Griechenland vor, Truppen auf Inseln zu stationieren, die der Türkei vorgelagert sind.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wirft Griechenland vor, Truppen auf Inseln zu stationieren, die der Türkei vorgelagert sind.

(Foto: Murat Kula/ Anadolu Agency)

Während die Weltöffentlichkeit auf Russland und die Ukraine blickt, wächst die Feindseligkeit zwischen der Türkei und Griechenland. Die Nato-Partner werfen sich gegenseitig militärische Bedrohung vor.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

International kaum beachtet, verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei. Im Schatten des Ukraine-Kriegs und der Anti-Kopftuch-Proteste in Iran wiederholt Ankara seit Tagen den Vorwurf, Athen stationiere Truppen auf einigen seiner der Türkei vorgelagerten Ägäis-Inseln. Es sind Inseln, auf denen Griechenland den internationalen Vereinbarungen über die Grenzziehung zwischen den beiden Nachbarstaaten zufolge keine Streitkräfte unterhalten darf. "Wir werden gegenüber Griechenland die Rechte unserer Landes verteidigen", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der diese griechischen Inseln als griechisch besetzt bezeichnet. "Und wenn es uns nötig erscheint, dann auch mit allen Mitteln und Methoden, die uns zur Verfügung stehen."

Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis nannte das türkische Drohszenario "komplett irrational". Aber auch Griechenland selbst versäumt selten eine Gelegenheit, dem Nachbarn Vorwürfe zu machen. So verschärft sich der Ton auch im Streit um die Flüchtlingspolitik: Die westlichen türkischen Land- und Seegrenzen sind einer der wenigen Wege für Flüchtende, nach Griechenland und damit in die EU zu gelangen. Ankara wirft Athen eine Politik systematischer Push-Backs vor, während die griechische Seite behauptet, dass die Türkei die Menschen zur Flucht über die Grenze animiere und das Flüchtlingsabkommen mit der EU verletzte. Erdoğan benutze die Schutzsuchenden "als Waffe".

Sowohl die US-Regierung als auch die Nato sprachen sich für Mäßigung zwischen den verfeindeten Nato-Partnern aus. Im Vordergrund steht derzeit der Inselstreit. Erdoğan und sein Verteidigungsminister Hulusi Akar nutzen jede Chance, Athen zu drohen. Der Staatschef hatte wiederholt gesagt, Griechenland könne sich mit der Türkei militärisch keinesfalls messen und gewarnt, die türkische Armee könne "plötzlich mitten in der Nacht" Tatsachen schaffen. Dies war als Drohung mit der Besetzung einzelner dieser griechischen Inseln verstanden worden.

Aufsehen in den türkischen Medien erregt zurzeit ein Foto, in dem ein angeblich griechisches Landungsschiff zu sehen ist, das in einem Hafen Dutzende gepanzerte Militärfahrzeuge entlädt. Türkischen Angaben zufolge sind es von den USA an Athen gelieferte Radpanzer, die auf den Inseln Lesbos und Samos stationiert wurden. Ankara bestellte den griechischen Botschafter ein und protestierte wegen eines Verstoßes gegen internationale Verträge aus der Zeit nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, die die Grenzziehung in der Ägäis regeln.

Mit seiner Kraftmeierei betreibt Erdoğan Innenpolitik

Zweifellos betreibt Erdoğan, der spätestens im Juni nächsten Jahres Wahlen abhalten muss, mit seiner Kraftmeierei Innenpolitik. Er zielt auf den türkischen Nationalismus und das seit Jahrzehnten angespannte Verhältnis zu den griechischen Nachbarn ab. Unbestreitbar ist aber auch, dass sich das Kräfteverhältnis in der Ägäis zuungunsten der Türkei verschiebt. Ankara gebärdet sich seit Jahren als Vormacht im östlichen Mittelmeer, auf dessen Grund Rohstoffvorkommen liegen sollen.

Inzwischen aber verlagert sich Washingtons Interesse von Ankara nach Athen. Die USA zeigen im Umgang mit dem ebenso wichtigen wie schwierigen Nato-Partner Türkei seit Längerem Ermüdungserscheinungen. Sie bauen gleichzeitig das Verhältnis zu Griechenland aus, haben dort in den vergangenen Monaten ihre militärische Präsenz erhöht und Basen ausgebaut. Zudem liefert Washington Athen mehr Waffen. Darunter sind F-35-Jets, die modernsten westlichen Kampfflugzeuge. Und Frankreich beliefert Griechenland mit Rafale-Jets.

Ankara hingegen bekommt nach dem Kauf eines russischen Luftabwehrsystems keine F-35 von den USA. Deshalb droht die Türkei, bei der Luftwaffe in Rückstand gegenüber Griechenland zu geraten. Sie will nun als Übergangslösung 40 neue F-16 Maschinen in den USA kaufen sowie 8o Bausätze zur Nachrüstung der vorhandenen türkischen F-16-Jets. US-Präsident Joe Biden befürwortet dies angeblich. Das Vorhaben trifft aber auf Widerstand im US-Parlament.

Zur zusätzlichen Verärgerung Erdoğans haben die USA kürzlich ihr Waffenembargo gegen die Republik Zypern aufgehoben. Sie kann künftig erstmals seit 1987 wieder unbeschränkt Waffen aus den USA beziehen. Dies könnte die Kräfteverhältnisse im östlichen Mittelmeer weiter zum Nachteil der Türkei verschieben. Ankara kündigte bereits an, die Zahl seiner Soldaten auf Nordzypern zu erhöhen. Das türkische Außenministerium warnte, nun drohe ein Wettrüsten auf der seit 1974 geteilten Insel. Die "Türkische Republik Nordzypern" im Norden wird international nur von Ankara als Staat anerkannt.

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