Chemie:Erdgaspreis macht BASF zu schaffen

Chemie: Hier in Ludwigshafen produziert BASF Acetylen, was Kunden etwa für die Herstellung von Arzneimitteln oder Kunststoffe nutzen.

Hier in Ludwigshafen produziert BASF Acetylen, was Kunden etwa für die Herstellung von Arzneimitteln oder Kunststoffe nutzen.

(Foto: Andreas Pohlmann/BASF)

Vorstandschef Martin Brudermüller will das Engagement in China weiter ausbauen. Nächste Woche reist er mit Bundeskanzler Olaf Scholz nach Peking

Von Elisabeth Dostert

In ein paar Tagen geht's los. Dann reist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach China, und BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller fährt mit. Der deutsche Chemie-Konzern baut gerade für rund zehn Milliarden Dollar einen Verbundstandort im Süden der Volksrepublik. Brudermüller war schon im September dort. Die Dynamik und die positive Einstellung der Menschen dort sei ungebrochen, erzählt der Manager: "Die sind umtriebig und schnell in der Umsetzung und innovativ."

Er habe zehn Jahre dort gelebt, so Brudermüller in einer Telefonkonferenz, hörbar genervt von "China-Bashing". Es habe immer mal "holprige" Zeiten gegeben. Über die langfristige Entwicklung mache man sich keine Sorgen. Man wäge Risiken ab, sei nicht "blauäugig". In der Summe sei man zum Schluss gekommen, dass China eine "Opportunität" für BASF sei. "Die Hälfte des Marktes ist dort. Man muss sich dann auch die Frage stellen, was das Risiko eines Unternehmens ist, wenn es auf die Hälfte des Markes verzichtet." BASF wolle sein Engagement weiter ausbauen.

Beim Geschäft des Konzerns sieht Brudermüller anhaltend "starken Gegenwind" durch hohe Preise für Rohstoffe und Energie und schwächere Konjunktur. Für die ersten neun Monate 2022 bezifferte er die Mehrkosten für Erdgas an den europäischen Standorten auf 2,2 Milliarden Euro im Vergleich zu 2021. Die Produktion von Ammoniak etwa hat BASF gedrosselt, weil es billiger ist, den Ausgangsstoff etwa für die Herstellung von Dünger in anderen Regionen einzukaufen. Auch mittel- und langfristig erwartet BASF höhere Erdgaspreise in Europa.

Zwar stieg der Umsatz im dritten Quartal um knapp zwölf Prozent auf rund 22 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag jedoch mit knapp 1,3 Milliarden Euro gut eine halbe Milliarde unter dem Vorjahreswert. Den Wert seiner Beteiligung am Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea musste BASF um 740 Millionen Euro nach unten berichtigen. Aus einem Börsengang wird so schnell nichts. Ein Börsengang sei aufgrund der "russischen Assets" derzeit "ausgesprochen schwierig", sagte Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel. BASF hält 67 Prozent an Wintershall Dea, den Rest die Investmentfirma Letter One des russischen Unternehmers Michail Fridman. In den Büchern von BASF steht die Beteiligung laut Engel mit zehn Milliarden Euro, davon entfalle rund die Hälfte auf russische Aktivitäten.

In Deutschland schrieb BASF im dritten Quartal sogar Verluste. In diesem und nächstem Jahr will der Konzern ein Sparprogramm umsetzen, das von 2025 an jährlich eine halbe Milliarde Euro an Kosten einsparen soll, so Brudermüller: "Wir können nicht den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass sich diese schwierige Situation von alleine in Luft auflöst."

Brudermüllers Vertrag wurde vergangene Woche um ein Jahr bis zum Ablauf der Hauptversammlung 2024 verlängert. In seiner Amtszeit ist der Aktienkurs der BASF kräftig auf am Mittwoch Nachmittag rund 45 Euro gesunken. "Das hat weniger mit seiner Person zu tun, sondern mit dem Umfeld", sagt Arne Rautenberg von der Fondsgesellschaft Union Investment: "Eine Krise jagte die nächste." Niedrigwasser im Rhein, die Pandemie, Spannungen zwischen den USA und China, Rupturen in der Lieferkette, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die in der Folge höheren Energiepreise.

In Zukunft ein paar dicke Bretter

BASF habe in den nächsten zwei, drei Jahren ein paar dicke Bretter zu bohren, etwa bei der Nachhaltigkeit. "Der Aktienkurs hängt davon ab, wie nachhaltig BASF in den nächsten Jahren wird", sagt Rautenberg. Brudermüller will den Konzern bis 2050 klimaneutral machen. "Das nehme ich ihm ab", sagt Rautenberg: "Er steht voll hinter diesem Ziel." Dazu gehört die Elektrifizierung der Steamcracker am Standort Ludwigshafen. Die Anlage liefert die Basisstoffe für viele Produkte. Von der Umstellung des Standortes Ludwigshafen auf erneuerbare Energien hänge ab, welche Berechtigung dieser Verbund habe, sagt Rautenberg. Gelinge es nicht, den Verbund mit Erneuerbaren zu elektrifizieren, könnte es über kurz oder lang für BASF vorteilhafter sein, Basischemikalien wie Polypropylen dort einzukaufen, wo die Energiekosten niedriger sind, etwa in den USA.

Ein anderes dickes Brett sei China. "Das Risikoprofil des Landes hat sich in den vergangenen Monaten verändert", sagt Rautenberg. Das sieht nicht nur er so. "Die geopolitischen Risiken haben massiv zugenommen. Das bedeutet, dass der Kapitalmarkt bei einer langfristig ausgelegten China-Strategie kritisch hinschaut", sagt auch Ingo Speich, Experte der Fondsgesellschaft Deka. Das Management der BASF müsse daher die sehr hohe Abhängigkeit von China hinterfragen und dies bei jeder Entscheidung im Blick behalten. Der Standort China werde sich, sagt Union-Investment-Mann Rautenberg, in den nächsten Jahren vermutlich nicht positiv auf den BASF-Aktienkurs auswirken.

Die Ratingagentur Moody's bewertet BASF derzeit mit A3 stabil. Das Rating reflektiere ein breit gestreutes Produkt Portfolio und die globale Aufstellung des Konzerns. BASF stehe vor "großen Herausforderungen", habe einige Schritte initiiert, um diese zu adressieren. Eine unmittelbare Gefahr sieht Analyst Moritz Melsbach nicht für das Rating. Aber er sieht einige Faktoren, die zu einem "negativen Druck" auf das Rating führen könnten: längerfristig höhere Preise für Energie und Erdgas in Europa und die hohen Investitionen in China. Sie fallen Melsbach zufolge in einer Zeit an, in der Moody's mit einer schwächeren Nachfrage nach Basisprodukten rechne. Das wirke sich negativ auf die liquiden Mittel aus dem operativen Geschäft aus. Gleichzeitig falle der Börsengang von Wintershall Dea als eine potenzielle Finanzierungsquelle für diese Investitionen "auf absehbare Zeit aus", Dividenden von Wintershall Dea könnten das nur teilweise kompensieren.

Die Spekulationen um Brudermüllers Nachfolge haben längst begonnen. Dabei fallen immer wieder drei Namen: Saori Dubourg, Melanie Maas-Brunner und Markus Kamieth. Ein paar Monate haben sie ja noch, um sich zu profilieren.

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