Deutsch-französische Beziehungen:Das Problem liegt bei den Chefs

Ausgerechnet in diesem Jahr leisten sich Berlin und Paris eine verstörende Beziehungskrise.

Kommentar von Nicolas Richter

Zwischen Emmanuel Macron und Olaf Scholz stimmt etwas nicht. Seit Tagen trübt sich das Verhältnis ein, und der Anblick ist wie bei den meisten öffentlichen Beziehungskrisen verstörend. Streit und Sticheleien gab es zwischen Paris und Berlin zwar schon oft, aber jetzt hat die Gereiztheit ein Ausmaß erreicht, das nur einen Schluss zulässt: Das Problem liegt ganz oben, bei den Chefs. Präsident Macron und Kanzler Scholz scheinen einander nicht so richtig zu vertrauen, auch wenn sie nach einem langen Mittagessen am Mittwoch das Gegenteil verbreiten ließen.

Macron, der sich für einen Weltpolitiker hält, hat es Angela Merkel nicht immer leicht gemacht mit seinen ehrgeizigen europäischen Ideen. Aber Merkel fand einen Ausgleich mit ihm, was Scholz offenbar noch nicht gelungen ist. Das kann nicht allein am Streit über Energie und Rüstung liegen. In Paris scheint auch der Stil von Scholz Anstoß zu erregen: So habe Scholz nicht vorab über das 200-Milliarden-Hilfspaket informiert. Auch hielt der Bundeskanzler im Sommer in Prag eine Europa-Rede, in der er Frankreich etwa den Stellenwert von Monaco einräumte. Nun ist Macron beleidigt, was wohl nicht nur an seiner Eitelkeit liegt - Klagen über deutsche Alleingänge mehren sich derzeit auch anderswo.

Besser wäre es deswegen, Scholz würde Macron stärker einbinden und nicht den Eindruck hinterlassen, als genügte es für die Pflege engster Verbündeter, ab und zu mit Joe Biden zu telefonieren. Für eine Beziehungskrise zwischen Berlin und Paris ist dies jedenfalls der schlechteste Augenblick in Jahrzehnten: Europa steht gerade vor größten Härtetests. Dass Paris und Berlin den Kontinent gemeinsam durch solche Krisen führen, war immer eine Gewissheit. Olaf Scholz muss dafür sorgen, dass diese Gewissheit nicht zu all jenen gehört, die 2022 zerschlagen wurden.

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