Diplomatie:Scholz sprachlos in Paris

Diplomatie: Immerhin da präsentieren sie sich in bester Stimmung: Macron begrüßt Scholz vor dem Élysée-Palast.

Immerhin da präsentieren sie sich in bester Stimmung: Macron begrüßt Scholz vor dem Élysée-Palast.

(Foto: Sarah Meyssonnier/Reuters)

Nach den jüngsten Verwerfungen zwischen Deutschland und Frankreich könnten der Kanzler und Präsident Macron Einigkeit demonstrieren. Doch sie können die Spannungen nicht ganz auflösen.

Von Daniel Brössler und Nicolas Richter, Paris/Berlin

Es sollte ein Symbol enger Partnerschaft werden: Mitte dieser Woche waren die Ministerinnen und Minister der Regierungen in Paris und Berlin eigentlich zu einem Treffen im Schloss Fontainebleau verabredet, das für seine Kunst aus der Renaissance berühmt ist. Die gemeinsamen Kabinettssitzungen haben Tradition und sollen zeigen, wie eng beide Länder zusammenarbeiten. Wegen zu vieler Streitthemen und angeblich auch wegen Terminproblemen aber wurde das Treffen jüngst verschoben - ins kommende Jahr.

Um einen letzten Anschein von Einigkeit zu bewahren, ist am Mittwoch immerhin Bundeskanzler Olaf Scholz nach Paris gereist für ein "Arbeitsmittagessen" bei Präsident Emmanuel Macron. Es dauerte drei Stunden, anschließend trafen sich beide Männer noch unter vier Augen. Die Begegnung sei "sehr intensiv, sehr partnerschaftlich" gewesen, hieß es auf deutscher Seite. Es habe "große Übereinstimmung" gegeben. Es sei sehr detailliert über Energiepolitik und Verteidigung gesprochen worden, auch die gemeinsame Sorge vor Protektionismus in den USA sei ein Thema gewesen, hieß es.

Allerdings kam es wohl nicht zu einer vollständigen Renaissance der stark belasteten deutsch-französischen Beziehungen. So war es bezeichnend, dass es in Paris außer einem Fototermin weder eine Pressekonferenz noch gemeinsame Statements von Kanzler und Präsident gab. Verwiesen wurde zwar darauf, dass es auch bei einem Abendessen von Scholz und Macron am 3. Oktober in Berlin keinen gemeinsamen Auftritt gegeben habe. Dennoch hätte die deutsche Seite solch einen Termin in Paris begrüßt; beide Männer hätten dabei grundsätzliche Einigkeit demonstrieren können. Stattdessen herrscht, jedenfalls öffentlich, Sprachlosigkeit im deutsch-französischen Verhältnis. Und im Hintergrund kam es am Mittwoch auf französischer Seite sogar zu neuer Verstimmung, weil die Bundesregierung zunächst eine Presskonferenz von Scholz und Macron angekündigt hatte, ohne dies mit den Franzosen abzusprechen.

Fortschritte soll es immerhin bei einem der strittigen Sachthemen geben: Beide Seiten haben offenbar einige Hindernisse beim gemeinsamen Rüstungsprojekt Future Combat Air System (FCAS) aus dem Weg geräumt. Dabei geht es um ein modernes System für den Kampf in der Luft, bei dem Flugzeuge, Drohnen und neue Waffensysteme miteinander abgestimmt werden. Das Vorhaben, an dem neben Deutschland und Frankreich auch Spanien beteiligt ist, kam zuletzt kaum noch von der Stelle. Das Projekt hatte die Beziehungen beider Länder auch aus einem anderen Grund belastet: In Paris herrschte Verstimmung darüber, dass Scholz das FCAS-System bei seiner Europa-Rede im August in Prag mit keinem Wort erwähnte. Dabei ist es für Frankreich politisch und industriell wichtig.

In jüngster Zeit waren die wachsenden Spannungen zwischen Berlin und Paris offen zutage getreten. Macron warf der Bundesregierung am Rande des jüngsten EU-Gipfeltreffens in Brüssel vor, sich in Europa zu "isolieren". Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte zur Absage des gemeinsamen deutsch-französischen Ministerrats, es gebe Differenzen bei einer "ganzen Reihe von unterschiedlichen Themen".

"Le Monde" fragt sich, ob Macron den Wunschpartner vermisst

Auch in der Öffentlichkeit wächst die Sorge um das belastete Verhältnis. Die Zeitung Le Monde forderte am Mittwoch, es müsse dringend einen Neustart geben. "Die sichtbaren Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland kommen im schlimmsten Augenblick, da Wladimir Putin die europäische Solidarität testet und die deutsch-französische Führung im Bündnis der 27 Staaten infrage gestellt wird." Offensichtlich habe Macron in Scholz noch nicht den "Wunschpartner" gefunden, den er einst in Kanzlerin Angela Merkel gehabt habe. Macron und Merkel galten als Vertraute.

Weniger vertrauensvoll scheint es zwischen Macron und Scholz zuzugehen: So reagierte man in Paris verärgert darüber, dass Scholz den Élysée-Palast nicht im Voraus über sein geplantes 200-Milliarden-Hilfspaket informiert hatte. Als Macron in Brüssel sagte, es sei nicht gut, dass sich Deutschland isoliere, spielte er auch auf den Unmut anderer Regierungen an. So sprach Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von "deutschem Egoismus". Der Unmut galt dem Umstand, dass Deutschland zwar einen Gaspreisdeckel für die eigenen Verbraucher entwickeln wollte, dies auf EU-Ebene aber ablehnte. Scholz wiederum wies die Vorwürfe zurück. "Wir bewegen uns (...) im Rahmen dessen, was auch andere in Europa machen", sagte er.

Nach dem Treffen mit Macron in Paris jedenfalls versuchte Scholz den Eindruck zu erwecken, die Beziehung zum französischen Staatschef sei intakt. "Das war ein sehr gutes und wichtiges Gespräch heute", schrieb er bei Twitter. "Deutschland und Frankreich stehen eng zusammen und gehen die Herausforderungen gemeinsam an."

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