"Hyäne Fischer" an der Berliner Volksbühne:Völlig verfehlt

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Marie Rosa Tietjen und der Chor im "Hyäne Fischer"-Musical. (Foto: Elsa Okasaki)

Die Berliner Volksbühne blamiert sich mit der Musical-Parodie "Hyäne Fischer".

Von Peter Laudenbach

Das Matriarchat hatte man sich irgendwie erfreulicher vorgestellt, jedenfalls nicht als Stumpfsinnshölle in Musical-Form. Die Berliner Volksbühne blamiert sich mit der Show "Hyäne Fischer", dem Beweis, dass freilaufende Präpotenz nicht zwangsläufig zu gutem oder auch nur halbwegs erträglichem Theater führt. Der Abend widmet sich dem Versuch, mit Hilfe des Liedguts der Schlagersängerin Helene Fischer eine feministische Kampfikone namens Hyäne Fischer auf die Bühne zu stellen, sowie der Beschimpfung von Nazis, Männern und Österreichern, was irgendwie aufs Gleiche rauskommt. Auch "Vollkoffer und Dooftouristen", die sich mit ihrem Wiener Schnitzel das ganze Österreich in sich hineinschaufeln, zählen zu den routiniert verhöhnten Hassfiguren: "So paniert musst Du erst mal sein." Nichts gegen österreichische Beleidigungslitaneien, aber neben dem Genie der Welt- und Österreich-Verfluchung, dem heiligen Thomas Bernhard, wirken seine Volksbühne-Imitatorinnen wie verbissene Streberinnen mit recht überschaubaren Talenten.

Mit der Kunstfigur Hyäne Fischer recyceln die als Regisseurin hilflos dilettierende Musik-Kuratorin Marlene Engel, die Libretto-Lieferantin Lydia Haider und die musikalische Leiterin Eva Jantschitsch einen Scherz, den die Wiener Burschenschaft Hysteria, ein feministisches Satireprojekt, 2019 inszeniert hat. Damals stellten sie ein lustiges Musikvideo ins Netz, in dem sich eine Hyäne Fischer mit einem Schlager im Helene-Fischer-Stil für den Eurovision Song Contest bewirbt: "Im Rausch der Zeit bist Du bereit". Der Film zeigt die Künstlerin im Eva-Braun-Look im Berghof-Ambiente, die Herren- beziehungsweise Damenrasse in der Sommerfrische - schöne Grüße vom Obersalzberg. Großer Spaß! Auch diesmal kursierte im Vorfeld der Premiere ein kleines Musikvideo mit einer Helene-Fischer-Variation im Netz: "Hodenlos an die Macht", nun ja. Das Interessanteste an dem Clip ist ein schmutziger, alter, weißer Mann, Martin Wuttke als sabbernder Vergewaltiger.

Mühsam geht es von Nümmerchen zu Nümmerchen, im Hintergrund bläst ein Vulkan kleine Dampfwölkchen

Die Darbietung in der Volksbühne ist das Theaterstück zum Musikvideo, leider ohne Martin Wuttke, dafür mit großem Bohei, Chor und Orchester und gleich fünf Hyäne Fischers: Kathrin Angerer, Rosa Lembeck, Silvia Rieger, Marie Rosa Tietjen und Katarina Maria Trenk. Die als Regie-Anfängerin heillos überforderte Marlene Engel quält sich in ihrem Versuch der Nachstellung des Musical-Formats mühsam von Nümmerchen zu Nümmerchen, im Hintergrund bläst ein Vulkan durch die lippen- oder vulvaförmige Gipfelöffnung neckische kleine Dampfwölkchen zum Bühnenhimmel. Kathrin Angerer schreitet elegant über die Bühne oder baumelt als Todesengel mit schwarzen Flügeln über ihr und erzählt vom Untergang der Menschheit. Silvia Rieger deklamiert im Vollpathos-Modus der Tragödin einen Monolog, in dem es, wenn wir das richtig verstanden haben, unter anderen darum geht, die Toten aus dem Grab zu reißen.

Mit dem Text und dem, was er möglicherweise bedeuten könnte, ist es ohnehin so eine Sache. Die Textautorin Lydia Haider verheddert sich konfus in ihrem Satzgeklimper und verwechselt jeden Zufallseinfall mit dem Beweis ihres Genies. Dass sie die Jelinek-Grundschule der Sprachdekonstruktion besucht hat, ohne die Raffinesse des Originals auch nur zu streifen, beschert dem Abend unsterbliche Poesiealbumzeilen wie diese: "Jegliches Wort ist nur ein Wort geworden, und Du bist dabei, geh' hin und sei." Noch peinlicher sind die großzügig dargereichten Gewaltfantasien von "skalpierten Identitären" und die Angebereien der spätpubertären Selbstfeier als "Nazi-Schlächterin": "Wir sind die Psycho-Killer, wir sind die Fascho-Ficker." Das wird die Neuen Rechten ganz sicher in Angst und Schrecken versetzen. Das lyrische Schaffen von Lydia Haider lässt es nicht an Menschenverachtung fehlen, wenn sie zum Beispiel das Opfer eines Unfalls als "Brei von Scheiße" tituliert. Zumindest die überflüssige Veranstaltung ist mit diesem Vergleich treffend charakterisiert.

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