Umweltvergehen:Allgäuer Alpbauern graben streng geschützten Gebirgsbach um

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Im Rappenalptal im Allgäu haben an einem geschützten Wildbach im September vermutlich ungenehmigt Baggerarbeiten stattgefunden. (Foto: Bund Naturschutz)

Naturschützer und Behörden sind entsetzt. Denn mit der Aktion ist ein wertvolles Biotop für seltene Tier- und Pflanzenarten zerstört worden. Der Bund Naturschutz droht mit Strafanzeige.

Von Christian Sebald, Oberstdorf

Das Rappenalptal im Süden von Oberstdorf ist ein Idyll. Unten gurgelt der Rappenalpbach durch sein Kiesbett, links und rechts türmen sich bekannte Gipfel, allen voran der markante Biberkopf, aber auch der Rappenseekopf, die Rotgrundspitze, die Schafalpenköpfe und der Angererkopf, ein jeder deutlich mehr als 2000 Meter hoch. Den Talschluss bildet das Haldenwanger Eck, es ist der südlichste Punkt Deutschlands. Im Sommer bevölkern nicht nur Älpler und ihr Vieh das Rappenalptal. Sondern bisweilen auch schier zahllose Ausflügler, Wanderer und Mountainbiker. Beliebte Wandererziele sind die Fiderepasshütte, die Mindelheimer Hütte, die Enzianhütte und die Rappenseehütte. Ambitionierte Mountainbiker nehmen das Rappenalptal gerne als Ausgangspunkt für eine Transalp. Die Allgäuer sind denn auch sehr stolz auf das Rappenalptal.

Jetzt aber hat das Rappenalptal schweren Schaden erlitten. Manche sagen sogar, es sei zerstört worden. In den vergangenen Wochen ist das breite Bett des Rappenalpbachs auf gut 1,6 Kilometer Länge mit Kies aufgefüllt und begradigt worden. Der vormals frei mäandernde Gebirgsbach ist wie ein Kanal in ein enges Bett eingezwängt worden, die Kiesbänke wurden eingeebnet.

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Auftraggeber der Aktion war offenbar die Genossenschaft der Alpbauern, die das Gebiet bewirtschaften. Der Abschnitt liegt im oberen Bereich des Tals nahe der Schwarzen Hütte, die im Sommerhalbjahr eine beliebte Einkehr ist. Der Bach selbst ist in weiten Teilen trockengefallen. Offenbar ist seine Sohle bei den Arbeiten durchbrochen worden, sodass sein Wasser versickert.

Warum die Alpgenossenschaft den Frevel begangen hat, ist derzeit nicht aufklärbar. Ihr Vorsitzender, ein Hotelbetreiber aus der Region, ist für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die Aktion selbst war offenkundig illegal. Das Landratsamt Oberallgäu, das solche Flussbauprojekte genehmigen muss, hat nach eigenen Angaben nichts von der massiven Maßnahme gewusst. Die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) hat inzwischen mehrfach bekräftigt, dass die Arbeiten niemals genehmigt worden wären. Deshalb befassen sich auch die Wasserwirtschaftsbehörden und die Regierung von Schwaben mit dem Fall. Und im Umweltministerium in München schütteln sie die Köpfe. Manche rechnen sogar damit, dass der Frevel vor der Europäischen Kommission landen wird.

Der Rappenalpbach war ein wertvolles Biotop

Denn der illegale Eingriff wiegt sehr schwer. Das Rappenalptal ist strengstens geschützt - nach deutschem wie nach europäischem Naturschutzrecht. Es liegt mitten im Naturschutzgebiet "Allgäuer Hochalpen", dessen 30-jähriges Bestehen unlängst gefeiert worden ist, und ist Teil des gleichnamigen weitläufigen europäischen Schutzgebietes. Der Rappenalpbach selbst ist außerdem nach dem Bundesnaturschutzgesetz als Biotop klassifiziert.

Denn in ihm und an seinen Ufern lebten bisher zahlreiche seltene Heuschrecken wie die Rotflügelige Schnarrschrecke, aber auch besondere Schmetterlinge wie der Idas Bläuling sowie der Flussuferläufer und andere vom Aussterben bedrohte Vogelarten. Alfred Karle-Fendt vom Bund Naturschutz (BN) im Oberallgäu, der das Gebiet seit mehr als 30 Jahren kennt, sagt denn auch, einen vergleichbar wüsten Eingriff in ein Naturschutzgebiet habe er in all den Jahren seines Engagements nie erlebt.

Beim BN prüfen sie deshalb bereits eine Strafanzeige gegen die Alpgenossenschaft. Zugleich fordert die Organisation, dass die Behörden weitere Arbeiten in dem Gebiet unbedingt verhindern müssen. Humusaufschüttungen zum Beispiel, um die Weideflächen im Talgrund zu vergrößern, würden die Schäden für die Artenvielfalt in dem Bereich weiter verschlimmern. Außerdem fordert der BN umfangreiche Gutachten und die Wiederherstellung des ursprünglichen Bachlaufs, auch wenn sie Jahrzehnte dauern würde und zweifelhaft ist, ob sie gelingen kann.

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