Bevölkerungsschutz:Deutschland testet den Ernstfall

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Ein Bildschirm mit dem Modularen Warnsystem beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Fehlende Sirenen, Computerpannen: Der erste bundesweite Warntag vor zwei Jahren war ein Fiasko. Am Donnerstag wird erneut die höchste Alarmstufe simuliert - und viele Menschen wieder nicht erreichen.

Von Markus Balser, Berlin

Er sollte eigentlich vor einer Katastrophe warnen und wurde selbst zu einer. Beim ersten bundesweiten Warntag seit der Wiedervereinigung ging vor gut zwei Jahren so ziemlich alles schief. Ein großer Teil der Bevölkerung bekam vom großen Testalarm überhaupt nichts mit. Sirenen fehlten, blieben stumm oder heulten verspätet. Warn-Apps meldeten sich wegen überlasteter Server nicht oder viel zu spät. Den damaligen Chef des zuständigen Bundesamtes für Bevölkerungsschutz kostete die Blamage den Job.

An diesem Donnerstag um 11 Uhr soll es nun wirklich laut werden im ganzen Land. Zwölf Sekunden lang sollen Sirenen heulen. Und auch in Deutschlands Büros und Wohnzimmern soll der zweite Warntag dieser Art nicht zu überhören sein. Die Behörden werden nicht nur erstmals Textnachrichten auf die Handys der Deutschen schicken. Damit möglichst viele den Test bemerken, wird auch noch ein lauter Ton Alarm schlagen, hinzu kommen die Vibration des Mobiltelefons und ein Lichtsignal. Eine App ist für den Empfang nicht nötig. Cell Broadcast nennt sich die Technik, mit der die Behörden alle Handys in einer Funkzelle anfunken können.

Nur schätzungsweise jeder zweite Handy-Nutzer wird die Warnung bekommen

Für die Behörden geht es um einen wichtigen Test. Denn die Handynachrichten werden erstmals bundesweit eingesetzt, bevor die Cell-Broadcast-Technik ab Februar dauerhaft zur Verfügung steht. Die Behörden wollen prüfen, ob die Informationsketten und die Technik funktioniert, um Menschen im Notfall so mit den schnellen und präzisen Nachrichten zu warnen. Die Warnungen sollen auch über 100 Fernseh- und Radiosender, Warn-Apps wie Nina und selbst in Durchsagen und auf Anzeigetafeln der Deutschen Bahn laufen.

Wie wichtig schnelle Informationen auf allen möglichen Kanälen sein können, hatten die Überschwemmungen in Deutschland im Sommer 2021 auf tragische Weise gezeigt. Damals waren viele Betroffene in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz nicht rechtzeitig gewarnt worden. In den Fluten starben fast 200 Menschen. Die für Bevölkerungsschutz zuständigen Behörden hatten sich seither vorgenommen, vieles besser zu machen.

Eine Smartphone-Warnung beim Test im September 2020. (Foto: Robert Michael/DPA)

Doch der neuerliche Test wird zeigen, dass noch immer manches im Argen liegt. Denn wieder werden die Behörden laut Schätzungen nur die Hälfte der Handy-Nutzer erreichen. Ältere Geräte oder solche ohne die nötigen Updates können die Warnungen nämlich gar nicht empfangen. Auf seiner Webseite listet das BBK jene Handys auf, die Warnnachrichten gar nicht empfangen können - darunter viele, die noch immer weit verbreitet sind.

Auch Sirenen werden vielerorts nicht zu hören sein. Bis in die Neunzigerjahre gab es deutschlandweit noch ein flächendeckendes Netz, doch es wurde nach Ende des Kalten Krieges dezimiert und abgebaut. Zwar stellt der Bund den Kommunen in diesem Jahr rund 90 Millionen Euro für den Kauf neuer Sirenen zur Verfügung. Doch das ist nur ein Bruchteil der benötigten Mittel. Allein Niedersachsen meldet einen Bedarf von 80 bis 100 Millionen Euro an.

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Der Bevölkerungsschutz, der nach dem Ende des Kalten Krieges vielerorts heruntergefahren wurde, ist durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wieder stärker ins Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit gerückt. Doch eine zersplitterte Zuständigkeit verhindert bislang einen schnelleren Ausbau.

Laut Gesetz sind die Aufgaben streng getrennt. Länder und Kommunen sollen sich um den Katastrophenschutz und Warnungen in Friedenszeiten kümmern. Der Bund dagegen muss den Schutz und die Warnung der Deutschen bei militärischen Angriffen sichern. Fachleute beschäftigen sich allerdings längst mit Katastrophenszenarien, bei denen die Hintergründe auf den ersten Blick gar nicht so klar zu erkennen und zu trennen sind, etwa bei Hackerattacken. Doch bislang gibt es kaum Annäherung für die nötige engere Kooperation.

Viele Kommunen in Deutschland haben ihre Teilnahme am Warntag indes bereits abgeblasen. Wie viele wirklich mitmachen? Die zuständige Behörde tappt im Dunkeln. Die Teilnahme, heißt es in der obersten Bundesbehörde, sei ja freiwillig.

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