Klimaschutz:EU einigt sich auf brisanten Klimazoll

Klimaschutz: Industrie in Duisburg: Ein neuer Klimazoll soll hiesige Fabriken vor dreckiger Konkurrenz schützen.

Industrie in Duisburg: Ein neuer Klimazoll soll hiesige Fabriken vor dreckiger Konkurrenz schützen.

(Foto: imago/imago)

Die Abgabe soll künftig Importe verteuern, wenn der asiatische oder amerikanische Hersteller nicht in der Heimat für den Ausstoß an Treibhausgasen zahlen musste. Das könnte neuen Handelsstreit provozieren.

Von Björn Finke, Brüssel

An diesem Dienstagmorgen ist der niederländische EU-Abgeordnete Mohammed Chahim vermutlich ziemlich müde, aber auch stolz: "Nach zehn Stunden Verhandlungen ohne Pause haben wir eine historische Einigung erzielt", sagt der Sozialdemokrat bei seiner Pressekonferenz im Straßburger Europaparlament. Das Ergebnis dieser zähen Gespräche ist, dass die EU in den kommenden Jahren schrittweise einen brisanten Klimazoll einführen wird. Das System soll Importe aus Asien, Afrika oder Amerika verteuern, wenn Hersteller dort Treibhausgase in die Atmosphäre jagen können, ohne dafür zur Kasse gebeten zu werden. Das soll EU-Fabriken vor unfairer Konkurrenz schützen, denn die hiesigen Unternehmen müssen oft für ihren Kohlendioxid-Ausstoß zahlen.

Die Kommission präsentierte den Gesetzentwurf für diesen sogenannten Kohlendioxid-Grenzausgleichsmechanismus schon vor anderthalb Jahren. Am Dienstagmorgen um kurz vor fünf Uhr verständigten sich nun Vertreter des Europaparlaments unter Führung von Chahim und des Ministerrats, des Gremiums der Mitgliedstaaten, auf die finale Version des Rechtsakts. Sie mussten jedoch offenlassen, wann genau das System vollständig in Kraft treten wird, weil dies mit einem verwandten Gesetzentwurf zusammenhängt, der Reform des EU-Emissionshandels. Hier wollen sich Parlament und Ministerrat am kommenden Wochenende einigen. Der Kommission schwebte vor, dass der Klimazoll, der auf Englisch CBAM abgekürzt wird, von 2026 an greift.

Die EU ist mit dieser Abgabe ein globaler Vorreiter - und Chahim sagt, andere Weltregionen würden hoffentlich als Reaktion ähnliche Systeme aufsetzen. Allerdings warnen Kritiker, dass auch eine unerfreuliche Reaktion möglich ist: Der neue Zoll könnte weitere Handelsstreitigkeiten auslösen.

Der Mechanismus soll das bewährte Emissionshandelssystem ergänzen: In der EU müssen Kraftwerke und viele Industriebetriebe bereits seit 2005 Kohlendioxid-Zertifikate vorweisen können, wenn sie Klimagase in die Atmosphäre blasen. Diese Verschmutzungsrechte sind handelbar; Emissionen erhalten so einen Preis. Aber wegen der strengen Klimaschutzziele reduziert die Kommission die Zahl der Verschmutzungsrechte. Deren Preise steigen - und damit die Kosten der hiesigen Industrie sowie die Risiken, dass Hersteller nicht mit billigeren Importen mithalten können oder ihre Werke aus der EU wegverlagern. Der CBAM soll dem entgegenwirken. Er verlangt von Importeuren, ebenfalls Kohlendioxid-Zertifikate für ihre Einfuhren zu kaufen und so faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Die Industrie soll auf ihre Geschenke verzichten

Diese Pflicht entfällt nur, wenn die Produzenten in Amerika oder Asien bereits in der Heimat angemessen für ihren CO₂-Ausstoß gezahlt haben. Für Staaten, die ein eigenes und vergleichbares Emissionshandelssystem aufgebaut haben, ändert sich also nichts. Doch Konzerne, die zuhause nicht für ihren Ausstoß an Klimagasen zur Kasse gebeten werden, müssen damit rechnen, dass der CBAM ihre Exporte in die EU künftig verteuert.

Zunächst soll der Zoll nur für Waren gelten, bei deren Herstellung viel Energie verbraucht wird: Zement, Aluminium, Dünger, Eisen und Stahl sowie Elektrizität. Daneben gelang es dem Parlament, Wasserstoff dieser Liste hinzuzufügen. Das alles deckt mehr als die Hälfte des Ausstoßes an Treibhausgasen der Industrie ab. Von 2030 an könnten sogar sämtliche Güter erfasst werden, deren Produktion unter das Emissionshandelssystem fällt.

Ein Streitpunkt bleiben die kostenlosen CO₂-Zertifikate in diesem Emissionshandelssystem. Die Industrie erhält bisher eine bestimmte Menge Verschmutzungsrechte geschenkt, um besser im Wettbewerb mit Rivalen aus Ländern ohne solch ein System bestehen zu können. Diese Geschenke sollen schrittweise auslaufen, wenn der CBAM in Kraft tritt, um einen doppelten Schutz zu verhindern. Ein rasches Aus für die kostenlosen Zertifikate sehen jedoch Industrievertreter naturgemäß kritisch. Sie weisen unter anderem darauf hin, dass der CBAM zwar gegen dreckige Billigimporte in die EU schütze, nicht aber dagegen, dass europäischen Konzernen auf wichtigen Exportmärkten unfaire Konkurrenz gemacht werde.

Das EU-Parlament will die Geschenke bis 2032 auslaufen lassen, der Ministerrat erst 2036. Dieser Disput gehört zur Reform des Emissionshandels; hier wollen sich die beiden Gesetzgebungskammern am Wochenende einigen. Die Gespräche werden wieder schwierig und lang sein.

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