Korruptionsskandal:Ende einer Karriere

EU-Parlament: Ex-Vizepräsidentin Eva Kaili

Wegen einer "schweren Verfehlung" hat das Europaparlament die Griechin Eva Kaili als Vizepräsidentin abgewählt.

(Foto: Giannis Panagopoulos/Eurokinissi/IMAGO/ANE Edition)

Nicht mehr als eine Minute hat die Abstimmung gedauert, mit der das Europaparlament Eva Kaili ihres Postens enthob.

Von Josef Kelnberger, Straßburg

Die Abstimmung war innerhalb einer Minute über die Bühne, als handelte es sich um die natürlichste Sache der Welt. Es war 12.16 Uhr an diesem Dienstag, Parlamentspräsidentin Roberta Metsola rief zum Votum über ihre Vizepräsidentin Eva Kaili auf: Amtsenthebung wegen "schwerer Verfehlung" nach Artikel 21 der Geschäftsordnung des Europaparlaments. Die Fraktionsvorsitzenden hatten den Vorschlag dazu am Vormittag einstimmig beschlossen, erforderlich ist im Plenum eine Zweidrittelmehrheit. Es gab nur eine Gegenstimme. Das Abgeordnetenmandat kann ihr niemand wegnehmen, aber ihren Posten ist die Griechin nun los - ein erster Schritt auf dem langen Weg der Aufarbeitung dieses Korruptionsskandals.

Eva Kaili hatte sich geweigert, ihr Amt aufzugeben. Über ihre Anwältin ließ sie in Griechenland verbreiten, sie habe mit den mutmaßlichen Geldflüssen aus Katar nichts zu tun. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge haben die Ermittler in ihrer Wohnung große Mengen von Bargeld gefunden; in Griechenland wurde berichtet, allein unter der Kinderwiege der kleinen Tochter Kailis seien 160 000 Euro gefunden worden. Auch ihr Vater wurde offenbar von Ermittlern in Brüssel gestoppt, er sollte wohl Bargeld in einem Reisekoffer in Sicherheit bringen.

Kaili ist eine von sechs Verdächtigen, die von den belgischen Behörden seit Freitag in dem Korruptionsskandal festgenommen worden sind. Vier von ihnen kamen am Sonntag in Untersuchungshaft, darunter die 44 Jahre alte Parlamentarierin, ihr Lebenspartner und der ehemalige Europaabgeordnete Antonio Panzeri, der in der Affäre als Drahtzieher gilt. Es geht um Korruption und Geldwäsche mit dem mutmaßlichen Ziel, Entscheidungen des Europaparlaments zugunsten des Emirats Katar zu beeinflussen. Am Montagnachmittag, als Abgeordnete und Mitarbeiter zur Plenumswoche nach Straßburg gereist waren, hielten Ermittler im Brüsseler Sitz des Europaparlaments Einzug. Sie stellten Datenträger sicher in den Büros von Verdächtigen.

"Die europäische Demokratie wird angegriffen."

Roberta Metsola hatte am Montag in einer Rede ans Parlament lückenlose Aufklärung versprochen. Angesichts der Enthüllungen sprach sie von Wut, Zorn und Kummer. "Das Europäische Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird angegriffen, die europäische Demokratie wird angegriffen, und unsere Art der offenen, freien, demokratischen Gesellschaften wird angegriffen."

Das Europaparlament wird wohl einen eigenen Untersuchungsausschuss einsetzen, um die Affäre aufzuarbeiten - wann, darüber wird noch debattiert. Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber riet dazu, erst einmal die belgische Staatsanwaltschaft ihre Arbeit verrichten zu lassen. Die sozialdemokratische Fraktion beschloss, den Belgier Marc Tarabella vorläufig zu suspendieren, solange die Vorwürfe gegen ihn nicht geklärt sind. Die Ermittler hatten auch sein Haus durchsucht. Sozialdemokratische Abgeordnete, deren Mitarbeiter im Visier der Staatsanwaltschaft sind, müssen ihre parlamentarischen Ämter ruhen lassen. Davon betroffen sind die Belgierin Maria Arena sowie die Italiener Pietro Bartolo und Andrea Cozzolino.

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