Steuerpolitik:EU macht Steueroasen das Leben schwer

Steuerpolitik: Ihr Geschäftsmodell bekommt Schwierigkeiten: Die Britischen Jungferninseln sind bisher ein Steuerparadies.

Ihr Geschäftsmodell bekommt Schwierigkeiten: Die Britischen Jungferninseln sind bisher ein Steuerparadies.

(Foto: Jost Van Dyke/picture alliance)

Nach Viktor Orbáns Einlenken kann Brüssel eine Mindeststeuer für Konzerngewinne einführen. Das ist Teil einer brisanten Jahrhundertreform.

Von Björn Finke, Brüssel

Sechs Monate dauerte Ungarns Blockade, doch am späten Montagabend war sie vorbei. Die Regierung von Viktor Orbán machte den Weg frei für eine EU-weite Mindeststeuer auf Konzerngewinne. Der autoritäre ungarische Ministerpräsident zog sein Veto zurück, als Teil eines umfassenden Verhandlungspakets. Die Mitgliedstaaten haben nun ein Jahr Zeit, die Richtlinie zur Mindeststeuer in nationales Recht zu gießen. Die Regelung soll Steueroasen ihr Geschäftsmodell erschweren - und sie ist Teil eines viel größeren Vorhabens, einer weltweiten Jahrhundertreform der Unternehmensbesteuerung.

Auf diese Reform verständigten sich im Herbst vorigen Jahres 137 Staaten im Rahmen der Industrieländer-Organisation OECD. Die sogenannte Säule 2 des Vorhabens ist die Mindeststeuer, die jetzt in der EU eingeführt werden kann. Daneben sieht Säule 1 der Reform vor, dass Länder, in denen Konzerne viel Umsatz erzielen, aber keine nennenswerten Standorte haben, künftig mehr Besteuerungsrechte erhalten. Das zielt vor allem auf Internetfirmen wie die Google-Mutter Alphabet ab, die in Europa bislang kaum Steuern zahlt, weil sie die Gewinne überwiegend in ihrer Heimat, den USA, versteuert. In Zukunft sollen mehr Profite in der EU versteuert werden. Doch hier ziehen sich die Detailverhandlungen bei der OECD hin, weswegen sich die EU erst einmal darauf beschränkt, die zweite Säule - die Mindeststeuer - umzusetzen.

Die neue Regelung betrifft nur große Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz. Bei ihnen soll künftig durchgesetzt werden, dass sie auf ihre Gewinne mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Das gilt selbst dann, wenn diese Konzerne Profite trickreich zu Tochtergesellschaften in Steueroasen verschieben. Denn in dem Fall dürfen die Finanzämter der EU-Staaten nachträglich hinlangen und Gewinne nachversteuern - bis am Ende die Rate von 15 Prozent erreicht wird. Das Management kann also nicht mehr argumentieren, die Profite seien ja schon versteuert worden, nur eben woanders.

Erst blockierte Polen, dann Ungarn

Die Vorschrift hat auch Folgen für die Steuersätze innerhalb der EU. So verlangt Irland bisher lediglich 12,5 Prozent - das ist einer der Gründe, wieso sich so viele US-Technologiekonzerne wie die Google-Mutter Alphabet oder Apple dort niedergelassen haben. Künftig wird Irland 15 Prozent fordern müssen; bei 12,5 Prozent zu bleiben, wäre sinnlos. Schließlich wäre das Ergebnis, dass andere Staaten mit Standorten von Apple oder Alphabet den Firmen weitere 2,5 Prozent Steuern abknöpfen, weil die Besteuerung in Irland unter 15 Prozent lag. Die Unternehmen hätten keinen Vorteil - und Irlands Fiskus würden Einnahmen entgehen.

Die EU-Kommission präsentierte den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Mindeststeuer schon vor einem Jahr. In den Verhandlungen unter den EU-Regierungen bremsten Ungarn und Polen von Anfang an. Das konnten sie, weil für eine Verabschiedung Einstimmigkeit nötig ist. Polen gab seinen Widerstand aber auf, nachdem die Regierung ihren Streit mit der Kommission über den Zugriff auf den Corona-Hilfsfonds beendet hatte. Doch dann legte auf einmal Orbáns Regierung ihr Veto ein. Erst das große Verhandlungspaket von Montagabend konnte die Blockade auflösen.

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