Kohleabbau:Es wird ernst in Lützerath

Kohleabbau: Klimaaktivistin Luisa Neubauer am Sonntag am Rande der Abbruchkante am Tagebau Garzweiler II.

Klimaaktivistin Luisa Neubauer am Sonntag am Rande der Abbruchkante am Tagebau Garzweiler II.

(Foto: Christoph Reichwein/dpa)

Kommende Woche soll der Weiler an der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler II geräumt werden. Bei einer Konfrontation zwischen Aktivisten und Polizei fliegen Steine.

Von Jana Stegemann und Christian Wernicke, Lützerath

"Als Päckchen könnt ihr relativ einfach von der Polizei weggetragen werden", sagt Bente Opitz, Sprecherin der Inititative "Lützerath lebt" ins Mikrofon. Eine Klimaaktivistin, die im Protestdorf Lützerath auf der Straße sitzt, demonstriert nun vor Kamerateams und Fotografen, wie man zum menschlichen "Päckchen" wird: Die Arme umschlingen die angewinkelten Beine, der ganze Körper ist angespannt, der Kopf leicht nach vorne gebeugt. "So ist die Verletzungsgefahr gering, wenn euch die Polizei an den Oberarmen packt und wegträgt", erklärt Bente Opitz weiter. "Schwieriger für die Polizei, aber auch gefährlicher für euch wird es, wenn man sich flach hinlegt und den Körper locker lässt." Mit dem öffentlichen "Aktionstraining" probten die Aktivistinnen und Aktivisten unter anderem Sitzblockaden. Nun wird es ernst in Lützerath.

Hunderte Unterstützer aus ganz Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Belgien waren am Sonntag ins Protestdorf Lützerath nach Nordrhein-Westfalen angereist: Von bis zu 3000 Menschen gingen die Klimaaktivisten beim sogenannten Dorfspaziergang aus, die Polizei Aachen schätzte bis zu 1500 Besucher. In der kommenden Woche soll der kleine Weiler an der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler II geräumt werden. Grundstücke und Häuser gehören dem Essener Energiekonzern RWE; seit etwa zwei Jahren besetzen Klimaaktivisten den Ort. Sie wollen verhindern, dass RWE an die Braunkohle unter Lützerath kommt. Aber vor allem boykottieren sie erstmal die anstehende Räumung in der kommenden Woche. Auf diesen "TagX" bereiten sie sich seit Monaten vor, in den vergangenen Tagen haben die Klimaaktivisten Tag und Nacht Barrikaden um Lützerath errichtet.

Bis Montag ist der Zugang zum besetzen Dorf noch möglich

Eine der bekanntesten Klimaaktivistinnen Deutschlands, Luisa Neubauer, war am Sonntag ebenfalls in Lützerath aufgetreten: "Hier zeigt eine Gesellschaft, dass sie versteht: Es geht um alles." Die Politik habe die "Kraft des Ortes Lützerath unterschätzt", sagte Neubauer vor Hunderten Demonstranten. Wegen einer gefährlichen Unterspülung der Tagebaukante bei Lützerath wurde im Anschluss das Konzert der Kölner Band AnnenMayKantereit kurzfristig an einen anderen Ort verlegt. Nach Angaben der Polizei warfen Aktivisten anschließend Steine auf Beamte und Security-Mitarbeiter. Es seien zudem weitere Barrikaden errichtet worden.

Vergangenen Montag hatte RWE mit den Vorbereitungen für die Räumung begonnen, unterstützt von einem großen Polizeiaufgebot; an dem Tag war es bereits zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Besetzern und Polizisten gekommen.

Bis Montag ist der Zugang zum besetzen Dorf noch möglich, ab Dienstag dürfte die Polizei den Weiler absperren und anreisende Klimaaktivisten bereits vor der Ortschaft aufhalten. Denn ab Dienstag beginnt auch juristisch eine neue Phase: Laut der Allgemeinverfügung, die der Kreis Heinsberg erlassen hat, kann das seit 23. Dezember geltende Aufenthaltsverbot ab 10. Januar "mit der Ergreifung von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung durch Ausübung von unmittelbarem Zwang" durchgesetzt werden. Im Klartext: Lützeraths Räumung könnte beginnen.

Beobachter rechnen jedoch frühestens Mittwoch mit einem Räumungsbeginn, da der Kreis Heinsberg und das Polizeipräsidium Aachen am frühen Dienstagabend noch auf einer Bürgerversammlung in der Stadt Erkelenz, zu der Lützerath gehört, über den geplanten Großeinsatz informieren wollen.

Zuvor wird sich zudem noch das Oberverwaltungsgericht Münster mit der Causa beschäftigen, eine Entscheidung wird spätestens Dienstag erwartet. Zwar hatte das Verwaltungsgericht Aachen vorigen Donnerstag den Eilantrag einer Klimaaktivistin gegen die Räumung abgelehnt. Die Beschwerde der Aktivistin hat zwar keine aufschiebende Wirkung - aber das Polizeipräsidium Aachen will ohne endgültige gerichtliche Klärung keinesfalls mit der Räumung beginnen.

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