Brasilien:Sicherheitskräfte bringen Lage in Brasília unter Kontrolle

Tausende Unterstützer des rechtsextremen Ex-Staatschefs Bolsonaro greifen in Brasilien Institutionen des Staates an. Dessen Nachfolger Lula nennt die Angreifer "Vandalen und Faschisten". Erst nach Stunden beruhigt sich die Lage.

Von Benedikt Peters

Tausende radikale Anhänger des brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro haben am Sonntag mehrere Institutionen des Staates angegriffen. Die Menschen stürmten auf das Gelände des Kongresses in der Hauptstadt Brasília. Wie brasilianische Medien berichteten, schlugen sie Scheiben an der Fassade ein und drangen in die Eingangshalle vor. Einige gelangten auch auf das Dach des Gebäudes. Teile des Mobs zogen den Berichten zufolge auch zum Obersten Gerichtshof, sie warfen dort Scheiben ein und drangen in die Lobby vor. Außerdem zogen sie zum Regierungssitz, dem Palácio do Planalto. Männer mit Brasilienflaggen liefen dort durch Flure und Büros, wie im Fernsehsender TV Globo zu sehen war.

Die Angreifer trugen mehrheitlich Kleidung in den brasilianischen Nationalfarben grün und gelb, das entspricht den politischen Farben Bolsonaros. Sie forderten ein Eingreifen des Militärs und den Sturz des neuen Staatschefs Luis Inácio Lula da Silva, der die Wahl im Herbst knapp gegen Bolsonaro gewonnen hatte.

Der Kongress ist leer, die Abgeordneten sind noch im Urlaub

Die Polizei setzte Pfefferspray und Blendgranaten ein, konnte die Unterstützer des früheren rechten Staatschefs Bolsonaro aber zunächst nicht aufhalten. Erst nach Stunden brachten die Sicherheitskräfte die Lage wieder unter Kontrolle. Die Militärpolizei rückte mit Reiterstaffeln und gepanzerten Fahrzeugen auf den Platz der drei Staatsgewalten im Zentrum der Hauptstadt vor. Spezialkräfte setzen Tränengas ein, Hubschrauber kreisten über dem Regierungsviertel. Rund 230 Verdächtige wurden festgenommen, wie Justizminister Flavio Dino mitteilte.

Über Verletzte wurde zunächst nichts bekannt. Die Abgeordneten des Kongresses befinden sich noch bis Februar in der brasilianischen Sommerpause.

Präsident Lula nannte die Angreifer "Vandalen und Faschisten", sie würden gefunden und bestraft. Das gelte auch für die Drahtzieher. Per Dekret ordnete Lula an, dass die Bundesregierung die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in der Hauptstadt übernimmt. Seinen Besuch in der Stadt Araraquara im Bundesstaat São Paulo werde er abbrechen und nach Brasília zurückkehren. Außerdem kritisierte Lula die Arbeit der Polizisten, welche die Institutionen hätten schützen sollen. "Militärpolizisten haben die Randalierer begleitet", sagte er. Auch sie müssten bestraft werden.

Die Szenen aus Brasília erinnern an den Sturm auf das Kapitol in den USA am 6. Januar 2021. Damals waren Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump in das Parlament eingedrungen, es gab Tote und Verletzte. Der Hintergrund des brasilianischen Überfalls ist ähnlich. Der rechtsextreme Ex-Staatschef Bolsonaro hat seine Wahlniederlage nie offiziell eingestanden, auch bei der Amtseinführung Lulas vor einer Woche fehlte er entgegen der Tradition. Stattdessen schürten er und sein engerer Zirkel Gerüchte darüber, dass es bei der Wahl nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Es gibt allerdings nicht einen ernst zu nehmenden Hinweis darauf, dass die Abstimmung manipuliert gewesen sein könnte.

Dennoch verfingen die Gerüchte unter Bolsonaros Anhängern. Seit Wochen kam es im Land zu Protesten und Blockaden von Straßen. Der Überfall auf die Institutionen des Landes ist nun allerdings eine neue Dimension.

Bei seiner Amtseinführung vor einer Woche hatte der linksgerichtete Staatschef Lula betont, für alle Brasilianer regieren zu wollen. Das Land ist seit Jahren in ein linkes und ein rechtes politisches Lager gespalten, deren Anhänger sich erbittert bekämpfen. Außerdem plagt das Land eine Wirtschaftskrise, Millionen Brasilianer waren während der Präsidentschaft Bolsonaros unter die Armutsgrenze gerutscht.

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