Ampelkoalition:Leichter wird's nicht

Ampelkoalition: Eigenständigkeit und Partnerschaft: Christian Lindner (l., FDP), Robert Habeck (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) müssen weiter beides schaffen.

Eigenständigkeit und Partnerschaft: Christian Lindner (l., FDP), Robert Habeck (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) müssen weiter beides schaffen.

(Foto: Michael Kappeler/DPA)

Mit den Folgen des Krieges in der Ukraine für Europa hatte die Ampelkoalition im alten Jahr alle Hände voll zu tun. Nun wollen die drei Parteien neu durchstarten - doch nicht unbedingt in die gleiche Richtung.

Von Markus Balser, Michael Bauchmüller und Georg Ismar, Berlin

Die Grünen-Parteispitze hat an diesem Vormittag gerade mal ein paar Stunden ihrer zweitägigen Klausur hinter sich, da informiert sie auf einer Pressekonferenz schon mal über die wichtigsten Ziele für dieses Jahr. Die Grünen haben es also eilig. Denn aus Sicht der Partei muss in der Ampelkoalition vieles besser werden. Die Regierung müsse etwa beim Klimaschutz 2023 mehr tun, fordert Grünen-Chefin Ricarda Lang. Den Verkehr und die Landwirtschaft schneller umbauen und den bundesweiten Kohleausstieg bis 2030 forcieren.

Auch bei SPD-Chef Lars Klingbeil ist am Montag zum Abschluss der SPD-Klausur zu spüren, dass ihm so einiges nicht passt. Nach einem schwierigen Jahr mit einem Krieg in Europa müsse es nun verstärkt um das Koalitionsmotto "Mehr Fortschritt wagen" gehen. "Wir sind gut durch diesen Winter gekommen", sagt Klingbeil. "Aber wir müssen uns auch gut für die Zukunft aufstellen."

Deutlich zu spüren ist in diesen Tagen, wie alle drei Koalitionspartner zum Jahresauftakt das eigene Profil schärfen wollen. Die FDP mit dem Dreikönigstreffen in Stuttgart, SPD und Grüne mit ihren Klausuren in Berlin. Klar wird damit aber auch: Der Ampelkoalition droht erneut ein schwieriges Jahr. Denn anpacken wollen sie alle - nur nicht das gleiche.

Atom: Mit dem 15. April 2023 rückt das Enddatum für die drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke näher. SPD und Grünen kommt dabei der bisherige Winterverlauf entgegen: Die Preise sinken, die Angst vor dem Mangel wird kleiner. Noch im Herbst hatte Kanzler Olaf Scholz seine Richtlinienkompetenz ausüben müssen, um den Streit um längere Laufzeiten zu beenden. Wenn der letzte Brennstab abgebrannt ist, soll danach in weniger als 100 Tagen in Deutschland Schluss mit der Atomkraft sein. Doch noch lässt die FDP nicht locker. Ihr Verkehrsminister Volker Wissing hat eine Expertenkommission ins Gespräch gebracht, sie soll die Abschaltung noch einmal kritisch prüfen. SPD und Grüne aber lassen die FDP-Werbung für eine nochmalige Verlängerung bislang abperlen. "Diese Debatte ist entschieden", sagt SPD-Chef Lars Klingbeil. "Das Kanzlerwort gilt", sagt auch Grünen-Parteichefin Lang. Immerhin: SPD und Grüne haben also ein gemeinsames Ziel. Es gilt, die Atomkraft still zu beerdigen.

Klima und Verkehr: Hier drohen gleich mehrere Karambolagen. Ihren Klimazielen hinkt die Koalition besonders im Verkehr hinterher. Das Ministerium von FDP-Mann Wissing müsste eigentlich einen "Sofortplan" vorlegen, um das abzustellen - so steht es im Klimaschutzgesetz. Bisher aber fehlt von einem echten Plan jede Spur. Stattdessen möchte die FDP das Klimagesetz so entschärfen, dass andere Sektoren das Defizit ausgleichen. Doch über dieses Gesetz wacht der grüne Minister Robert Habeck. Und der will davon nichts wissen.

Ähnlich sieht es beim Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen aus. Wissing möchte ihn beschleunigen: Nach Vorbild der Regeln für neue Flüssigerdgas-Terminals soll der Bund auch für viele Fernstraßen-Projekte ein "überragendes öffentliches Interesse" deklarieren. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke ist strikt dagegen. Ihr Problem: Die SPD sieht es ähnlich wie Wissing, auch für SPD-Chef Klingbeil ist das Terminal-Tempo die neue Richtmarke. "Diese neue Deutschland-Geschwindigkeit brauchen wir für alle Infrastruktur-Projekte", sagt er.

Finanzen: Die Jusos haben angekündigt, beim Bundesparteitag der SPD Ende 2023 den Abschied von der Schuldenbremse zu beantragen. Vielen Sozialdemokraten gilt sie als Investitionsbremse. Auch eine Vermögensteuer steht auf der Tagesordnung der SPD, Gift für die FDP. Um diesen parteiinternen Konflikt nicht zur Sollbruchstelle für die Koalition zu machen, hat die SPD nun eine Expertenkommission eingesetzt. Klar ist, dass Klimaschutz, Modernisierung der Infrastruktur und Umbau der Industrie viel Steuergeld verschlingen werden, zudem klafft die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinander. Dem soll sich die SPD-Kommission annehmen. Ihr Auftrag sei es, so heißt es im entsprechenden Beschluss des Parteivorstands bei der Klausur, "ein steuer- und finanzpolitisches Konzept für den Leitantrag zum Bundesparteitag 2023 zu erarbeiten."

Geleitet wird sie von den Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil, aber das Kanzleramt entsendet quasi als Aufpasser Scholz' Wirtschaftsberater Jörg Kukies. Für die Koalition ist das Thema hochsensibel, schließlich heißt der Finanzminister Christian Lindner und ist FDP-Chef. Seine Haltung hat er beim Dreikönigstreffen gerade erst unterstrichen: "Ein Land, das im Standortwettbewerb wieder in die Offensive finden will", erhöhe nicht die Steuerlast, hat Lindner da gesagt. "Ein solches Land reduziert die Steuerlast."

Panzer: Auch bei den Militärhilfen für die Ukraine gerät die SPD in die Defensive. Aus den Reihen von FDP und Grünen werden nach dem grünen Licht für die Lieferung von rund 40 Marder-Schützenpanzern an die Ukraine auch Stimmen laut, die Leopard-Kampfpanzer abgeben wollen. Die Sozialdemokraten sind seit jeher zurückhaltender. Man wolle die Ukraine unterstützen, so die Marschrichtung, die Nato aber nicht zur Kriegspartei werden lassen. Auch müsse jeder Schritt mit den Partnern abgestimmt werden. "Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD halten seit bald einem Jahr diese drei Versprechen verlässlich ein - auch bei den aktuellen Lieferungen", wirbt die Partei.

Aber was heißt das für Kampfpanzer vom Typ Leopard? SPD-Chef Klingbeil schließt eine Lieferung nicht aus, hält aber an Bedingungen fest. Gibt es ein internationales Bündnis, wie bei den Späh- und Schützenpanzern mit den USA und Frankreich, kann auch dieses Tabu noch fallen. Die Ukraine könnte der erwarteten russischen Frühjahrsoffensive so besser begegnen. Alle Entscheidungen lägen am Ende bei Scholz, sagt Klingbeil. Dessen Kurs unterstütze man "uneingeschränkt".

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