Wasserkraft:Staudämme verlieren massiv an Kapazität

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Luftaufnahme der Möhnetalsperre in Nordrhein-Westfalen: In Deutschland haben Stauseen bereits im Schnitt 24 Prozent ihrer Kapazität verloren. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Weil zunehmend Sedimente abgelagert werden, können Stauseen weltweit immer weniger Wasser speichern, berichten UN-Forscher. Die Folgen für die Versorgung mit Trinkwasser und Strom sind vielerorts gravierend.

Durch den Eintrag von Sedimenten drohen große Staudämme einer UN-Studie zufolge bis 2050 im Mittel weltweit rund ein Viertel ihrer ursprünglichen Speicherkapazität zu verlieren. Der geschätzte Verlust gegenüber der ursprünglichen Kapazität summiere sich bei den rund 50 000 berücksichtigten Anlagen auf 1,65 Billionen Kubikmeter, was in etwa dem jährlichen Wasserverbrauch von Indien, China, Indonesien, Frankreich und Kanada zusammen entspreche, teilte die Universität der Vereinten Nationen am Mittwoch mit. Das Ausmaß der Verluste sei beunruhigend, zumal die Welt bereits mit einer Reihe weiterer Wasserversorgungsprobleme konfrontiert sei.

Staudämme schränken den natürlichen Sedimenttransport der Flüsse ein. Durch die abgelagerten Sedimente verlanden viele Stauseen nach und nach, zudem drohen flussaufwärts verstärkt Überschwemmungen sowie flussabwärts verstärkt Erosion. Der Eintrag in die Speicherbecken sei zu einer der bedeutendsten Herausforderungen für die weltweite Wasserspeicher-Infrastruktur geworden, berichtet das Team um Duminda Perera vom Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit der United Nations University im kanadischen Hamilton.

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"Der Rückgang der verfügbaren Speicherkapazität bis 2050 in allen Ländern und Regionen wird viele Aspekte der Volkswirtschaften in Frage stellen, darunter die Bewässerung, die Stromerzeugung und die Wasserversorgung", sagte Perera. "Die neuen Dämme, die derzeit gebaut werden oder geplant sind, werden die durch Sedimentation verursachten Speicherverluste nicht ausgleichen." Ein schleichendes globales Wasserproblem mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen drohe.

In Deutschland haben Stauseen schon ein Viertel ihres Fassungsvermögens eingebüßt

In Asien zum Beispiel, wo 60 Prozent der Weltbevölkerung leben, ist die Wasserspeicherung von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der Wasser- und Ernährungssicherheit, wie es in der UN-Analyse heißt. Die Lage werde schwieriger, wenn dort rund 23 Prozent der Wasserspeicher in großen Staudämmen aufgrund von Sedimentation verloren gingen.

In Deutschland haben Stauseen laut der im Fachjournal Sustainability veröffentlichten Studie bereits rund 24 Prozent ihres ursprünglichen Fassungsvermögens verloren. Bis 2050 können der Verlust auf fast 35 Prozent steigen. In Irland liegt der Schwund durch eingelagertes Sediment der Analyse zufolge schon jetzt bei fast 30 Prozent, im Jahr 2050 könnten es fast 40 Prozent sein. In Dänemark hingegen betrage der Speicherverlust gegenwärtig rund 10 Prozent, bis 2050 rund 20 Prozent.

Großbritannien, Panama, Irland, Japan und die Seychellen verzeichnen den Forschern um Perera zufolge bis 2050 weltweit die höchsten Verluste bei der Wasserspeicherung: zwischen 35 und 50 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität. Staubecken in Ländern wie Bhutan, Kambodscha, Mongolei, Äthiopien, Guinea und Niger hingegen seien vorerst kaum betroffen, weil die Dämme dort meist noch relativ jung seien. Japans Dämme zum Beispiel seien im Mittel mehr als 100 Jahre alt, die der Mongolei durchschnittlich zwölf Jahre.

Die Forscher um Perera hatten aus Schätzungen der Verlandungsraten den wahrscheinlichen Verlust an Speicherkapazität für mehr als 47 400 große Staubecken in 150 Ländern für die Jahre 2022, 2030 und 2050 errechnet. Gut 28 000 der Bauwerke liegen im asiatisch-pazifischen Raum, rund 2300 in Afrika, etwa 6700 in Europa und 10 400 in Amerika. Als "groß" wurden Staudämme definiert, die mehr 15 Meter hoch sind oder die bei 5 bis 15 Meter Höhe ein Fassungsvermögen von mehr als 3 Millionen Kubikmetern besitzen.

Die ursprüngliche globale Speicherkapazität von rund 6300 Milliarden Kubikmeter der berücksichtigten Bauwerke wird demnach bis 2050 auf geschätzt etwa 4670 Milliarden Kubikmeter sinken. Zu den möglichen Maßnahmen dagegen zählen die UN-Forscher sogenannte Bypässe. Das sind separate Kanäle, über die vor allem bei Hochwasserereignissen - bei denen es oft zu besonders hohem Sedimenteintrag kommt - Wasser direkt flussabwärts geleitet wird. Bei optimalem Betrieb könnten Bypass-Tunnel die Sedimentation um bis zu 90 Prozent reduzieren, wie frühere Studien gezeigt hätten.

Eine Alternative sei das Erhöhen des Damms, um den Speicherverlust auszugleichen, erläutern die Wissenschaftler. Allerdings werde dadurch die Fläche des Stausees vergrößert, was Folgen für angrenzende Lebensräume haben könne. Möglich seien auch kostspielige Ausbaggerungen oder Sedimentspülungen, die aber erhebliche negative Auswirkungen auf flussabwärts gelegene Gebiete haben könnten.

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