Lambrecht-Rücktritt:Scholz hat Nachfolge schon entschieden

Lambrecht-Rücktritt: Kritisiert eine "mediale Fokussierung" auf ihre Person: Christine Lambrecht kurz vor Weihnachten vor einem Flug nach Bratislava.

Kritisiert eine "mediale Fokussierung" auf ihre Person: Christine Lambrecht kurz vor Weihnachten vor einem Flug nach Bratislava.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht möchte der Bundeskanzler aber erst am Dienstag bekanntgeben, wer das Verteidigungsministerium künftig führen soll.

Von Georg Ismar und Mike Szymanski

Nach der zweitkürzesten Amtszeit im Verteidigungsressort hat Ministerin Christine Lambrecht (SPD) Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um ihre Entlassung gebeten - er will rasch die Nachfolge klären. "Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu", betonte Lambrecht in ihrer schriftlich übermittelten Rücktrittserklärung. Scholz nahm die Bitte an.

Erwartet wird, dass Kanzler Scholz an diesem Dienstag eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger vorstellen wird. "Ich habe eine klare Vorstellung und das wird sehr schnell für alle bekannt werden, wie das weitergehen soll", sagte er am Montag bei einem Termin in Ulm.

Die zunächst als aussichtsreich gehandelten Kandidaten Arbeitsminister Hubertus Heil und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt wurden am Montag in der SPD als eher unwahrscheinliche Optionen angesehen. Da das Amt als das schwierigste gilt, das in diesen Zeiten in der Bundesregierung zu vergeben ist, sollen mehrere Kandidaten signalisiert haben, kein Interesse zu haben. Als Optionen wurden zuletzt auch SPD-Chef Lars Klingbeil und die Wehrbeauftragte Eva Högl gehandelt.

Er habe "gut und gerne" mit Lambrecht zusammengearbeitet, sagt Scholz

Offen ist, ob Scholz von der bisherigen Parität mit acht Ministerinnen und acht Ministern im Kabinett abweichen könnte. Der Kanzler war am Montag in Baden-Württemberg unterwegs, besichtigte eine Brauerei und das Rüstungsunternehmen Hensoldt. Dort sagte er, dass er sich bereits entschieden habe.

Er zollte Lambrecht großen Respekt und dankte ihr. "Ich habe viele, viele Jahre gut und gerne mit Christine Lambrecht zusammengearbeitet." Nach dem Beginn des russischen Krieges in der Ukraine habe sich Lambrecht "mit ungeheurem Einsatz darum gekümmert, dass jahrzehntelang ausgetrampelte Pfade verlassen werden und wir den großen Aufbruch hinbekommen, der für unsere Landesverteidigung wichtig ist, aber auch für die Unterstützung der Ukraine".

In SPD-Kreisen wurde nicht ausgeschlossen, dass Scholz auch eine eher unerwartete Lösung präsentieren könnte. Er ist bekannt dafür, solche Personalfragen in einem ganz engen Kreis zu klären, demzufolge waren vor allem die SPD-Vorsitzenden Klingbeil und Saskia Esken sowie sein Vertrauter Wolfgang Schmidt eng eingebunden.

Auch die Bündnispartner setzen auf rasche Klarheit, denn am kommenden Donnerstag wird US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Berlin erwartet, am Freitag trifft sich die sogenannte Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz, um über weitere Waffen- und Panzerlieferungen an die Ukraine zu beraten. Mit großer Sorge wird gesehen, dass Russland seine Angriffe weiter intensiviert, in der ostukrainischen Stadt Dnipro starben am Wochenende mehr als 40 Menschen bei einem Luftangriff.

Auf Lambrechts Nachfolger warten schwere Aufgaben

Die polnische Regierung pocht darauf, dass Berlin eine rasche Entscheidung über die von ihr gewünschte Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern trifft. Da sie aus deutscher Produktion kommen, braucht es diese Zustimmung. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nimmt an dem Treffen teil, es könnte die Premiere für die Nachfolgerin oder den Nachfolger auf dem internationalen Parkett werden. Lambrecht ist so lange Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, bis sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Entlassungsurkunde erhalten hat.

Wer Lambrecht nachfolgt, wird kaum Zeit zum Eingewöhnen bekommen. Die Abgabe etwa von Panzern, Artilleriegeschützen, Raketenwerfern und Munition hat die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in den vergangenen Monaten erheblich geschwächt. Wer auf Lambrecht folgt, muss gleichzeitig dafür sorgen, dass die Bundeswehr ihren wachsenden Bündnisverpflichtungen nachkommen kann. Für 2025 hat Deutschland der Nato eine komplett ausgestattete Heeresdivision zugesagt. Ausrüstungsmängel müssen schleunigst behoben werden. Im ersten Jahr der Zeitenwende ist auch nur ein Bruchteil aus dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgegeben worden. Durch die Inflation lassen sich mit dem Geld aber ohnehin weniger Anschaffungen tätigen als zunächst gedacht. Die Wehrbeauftragte Högl brachte zuletzt einen Investitionsbedarf von 300 Milliarden Euro für die Bundeswehr ins Spiel.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, sagte im ZDF, dass nicht unbegrenzt Waffensysteme an die Ukraine geliefert werden können. "Wir können nicht zusehen, dass die Bundeswehr weiter leerläuft in der aktuellen Lage, sondern müssen parallel schneller beschaffen als bisher. Das ist das Gebot der Stunde und dazu muss verstanden werden, dass auch das Sondervermögen bei Weitem nicht reichen wird." Zur Nachfolge Lambrechts sagte er, dass ein "Herz für die Truppe" wichtig sei. Ein Minister brauche Kompetenz, Durchsetzungsvermögen, müsse parteiübergreifend anerkannt sein. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) forderte eine rasche Lösung. "Bei allem Respekt: Unsere Soldatinnen und Soldaten sowie unsere Bündnispartner können erwarten, dass diese Hängepartie nun endlich beendet wird."

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