Nachhaltigkeit im Landkreis Ebersberg:Verzehren statt vernichten

Nachhaltigkeit im Landkreis Ebersberg: Ramone Fabry und Yvonne Rowold arbeiten ehrenamtlich für den Verein Foodsharing im Kreis Ebersberg.

Ramone Fabry und Yvonne Rowold arbeiten ehrenamtlich für den Verein Foodsharing im Kreis Ebersberg.

(Foto: Christian Endt)

Fast 205 000 Kilogramm Lebensmittel konnten im Landkreis in den vergangenen zwei Jahren vor der Tonne gerettet werden. Der Verein Foodsharing stellt sich gegen die Verschwendung von Essbarem.

Von Karlotta Hohmann, Ebersberg

Das Mindesthaltbarkeitsdatum des Lieblingsjoghurts, den man vor einer Woche noch so freudig gekauft hat, ist abgelaufen. Die Banane ist braun, und der Quark steht auch schon zu lange offen im Kühlschrank. Häufig landet das alles im Müll, aus Gründen, welche die Lebensmittelretter aus dem Landkreis Ebersberg nicht nachvollziehen können. Sie gibt es seit 2021, eine Untergruppierung der internationalen Organisation Foodsharing, die sich seit 2012 dafür einsetzt, Lebensmittelverschwendung zu minimieren, indem sie Lebensmittel vor der Tonne rettet und sie weiterverteilt.

Yvonne Rowold ist eine von ihnen. Sie ist bereits seit 2016 Mitglied im Foodsharing-Network. Ein Bekannter brachte ihr damals die Idee nahe und so wurde sie 2021 dann auch Gründungsmitglied des Vereins Foodsharing im Landkreis Ebersberg. Sie sagt: "Es ist viel einfacher, im Verein zu agieren denn als einzelner Foodsharer im Landkreis Ebersberg." Organisiert im Verein sind die Foodsaver nun auch versichert und haben ganz andere Möglichkeiten, öffentlich zu werden. So konnten sie auch eine Zusammenarbeit mit dem Landratsamt und dem Kreisjugendring beginnen.

Von anfangs 43 Mitgliedern ist der Verein mittlerweile auf 206 angewachsen. Sie arbeiten allerdings nicht nur daran, abgelaufene aber noch verzehrbare Lebensmittel vor der Tonne zu bewahren und sie stattdessen in Regalen und Kühlschränken, sogenannten "Fairteilern", öffentlich zugängig zu machen. Sondern sie leisten auch Aufklärungsarbeit. Immer wieder versuchen die Foodsharer über Infostände mit Menschen in Gespräche zu kommen. "Am Anfang sind die Menschen oft skeptisch und haben hygienische Bedenken", berichtet Yvonne Rowold. Man müsse sie erst darüber aufklären, dass die Lebensmittel selbstverständlich nicht aus der Mülltonne gerettet, sondern durch die Kooperation mit den Märkten direkt aus dem Kühlhaus entgegengenommen werden. Hygienische Standards werden dabei stets eingehalten und die Kühlketten nicht unterbrochen. Seit Januar 2023 müssen Foodsaver zudem verpflichtend eine Hygieneschulung absolvieren.

"Oft wird aber auch gefragt, ob der Tafel denn dann noch genügend zur Verfügung steht", so Rowold weiter. Ihr ist es wichtig, zu verdeutlichen, dass beim Foodsharing nicht wie bei der Tafel die Versorgung von Bedürftigen im Vordergrund stehe, sondern die Verwertung der Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden. "Wir lassen der Tafel immer den Vortritt und sind quasi die letzte Bastion vor der Tonne." Die geretteten Lebensmittel können dabei an Bedürftige gehen, werden aber eben auch öffentlich über Essenskörbe weitergegeben. "Die sind wirklich für jeden, der es sich zum Ziel gesetzt hat, mitzuhelfen, damit gut verwertbare Lebensmittel noch einem sinnvollen Zweck zugeführt werden." So gingen etwa Bananen auch schon mal an einen Pferdehof, andere Lebensmittel kamen einem Tierheim zugute.

Täglich finden im Landkreis Ebersberg Rettungsaktionen statt

31 Betriebe kooperieren mit den Foodsharern aus Ebersberg, darunter Bäckereien, Supermärkte und Betriebe. Aber auch eine Schulmensa und eine Kita würden gelegentlich anfragen, ob Interesse darin bestehe, das übrig gebliebene Mittagsessen abzuholen, das andernfalls in die Mülltonne wandern würde. Durch die tägliche Einsatzbereitschaft der Foodsaver - von Montag bis Sonntag - wurden so in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 204 950 Kilogramm Lebensmittel bei 7896 Foodsaving-Aktionen gerettet.

Um die Lebensmittelverschwendung auch in privaten Haushalten zu minimieren, hält Rowold noch einige Tipps bereit. Zuallererst sollte man sich im Supermarkt, aber auch zu Hause beim Blick in den Kühlschrank nicht von dem Mindesthaltbarkeitsdatum abschrecken lassen. Schließlich gibt es nicht ohne Grund einen Unterschied zwischen dem Mindesthaltbarkeitsdatum und dem Verbrauchsdatum. "Das Verbrauchsdatum muss unbedingt beachtet und eingehalten werden", erklärt Rowold. Dieses ist beispielsweise bei rohem Fleisch wie etwa Hackfleisch oder Räucherfisch zu finden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum hingegen sei eine grobe Richtlinie, die Märkte müssten die "abgelaufenen" Lebensmittel zwar aussortieren, deswegen seien sie aber lange noch nicht schlecht. Hier sei es ratsam, auf die eigenen Sinne zu vertrauen, um durch Sehen, Riechen und Schmecken das Produkt auf seine Haltbarkeit zu testen.

Vor dem Urlaub könne man sich über Abgabestellen und Fairteiler in der Nähe informieren und seine Lebensmittel aus dem Kühlschrank dorthin bringen. "Manchmal ist es auch sinnvoll, sich privat zu vernetzen", erklärt Rowold weiter. Wer es nicht schaffe, die Äpfel vom Apfelbaum aus dem eigenen Garten zu pflücken oder zu verwerten, könne andere dazu einladen.

Foodsharing ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern spart auch Geld

Um zu illustrieren, wie wichtig und wertvoll das Foodsharing für sie geworden ist, erzählt Rowold von ihrer Nachbarin, der sie ab und zu einen Korb mit einem bunten Mix aus geretteten Lebensmitteln vor die Tür stelle. Zu Weihnachten habe sie sich nun mit einer Karte bedankt und geschrieben, dass sie dadurch weniger einkaufen müsse und mehr Zeit für ihre Kinder habe und sogar etwas Geld spenden könne. "Das war sehr wertvoll für mich, denn das Zusammensammeln, Verpacken und Verteilen der Lebensmittel ist ja schon auch Arbeit", erklärt Rowold, die hauptberuflich Vollzeit für eine IT Consulting Firma im Vertriebsinnendienst arbeitet und dennoch als Foodsaverin ehrenamtlich im erweiterten Vorstand tätig ist.

"Ich wünsche mir, dass die Menschen unsere Lebensmittel insgesamt mehr wertschätzen, auch die Arbeit und die Produktion, die dahinter stecken", sagt Rowold zum Abschluss. Es wäre großartig, wenn man mehr Offenheit gegenüber saisonalen und regionalen Produkten zeigen könnte und nicht von den Märkten verlange, immer alles vorrätig haben zu müssen.

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