Wahl in Berlin:Darauf einen Tequila Sunrise

Wahl in Berlin: FDP-Chef Christian Lindner gab sich unbeeindruckt von dem schlechten Ergebnis.

FDP-Chef Christian Lindner gab sich unbeeindruckt von dem schlechten Ergebnis.

(Foto: Chris Emil Janssen/Imago)

Lag es am Auto, an den Wechselwählern oder doch irgendwie an der Ampelkoalition? Wie sich die Liberalen nach der Wahl in Berlin ihr schlechtes Ergebnis erklären.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Am Montag, bei der Nachbetrachtung des Desasters, gibt sich die FDP keinen Illusionen hin. "Wir hatten andere Vorstellungen", sagt Sebastian Czaja, nunmehr Ex-Spitzenkandidat der Liberalen gegen Mittag im Hans-Dietrich-Genscher-Haus. Dass es eine Wechselstimmung gebe in Berlin, liege auf der Hand, sagt er mit Blick auf den Erfolg der CDU, der er denn auch gratulierte.

Nun ist es aber so, dass diejenigen Berliner Wählerinnen und Wähler, die einen Wechsel wollten, offenbar der Meinung waren, das ginge auch ohne die Liberalen ganz gut. Weshalb Christian Lindner, Parteichef und Finanzminister im Ampel-Bündnis auf Bundesebene, nicht drumherum reden will. "Die Zahlen sind sehr eindeutig", sagt er am Tag danach, sie hätten es "leider nicht vermocht, die Wählerinnen und Wähler zu binden".

Doch selbst die fünfte Wahlniederlage in Folge hindert Lindner nicht daran, die "klare Strategie" zu loben, die seine Partei auf Bundesebene verfolge. Erstens: Deutschland wird gut regiert, woran die FDP großen Anteil hat. Zweitens: Jetzt müssen die liberalen Modernisierungsprojekte kommen, von schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren bis zur Entbürokratisierung der Einwanderung. Und drittens. "Wir sind der Garant für eine Politik der Mitte." Klar, in Berlin habe sich das noch nicht ausgezahlt, räumt Lindner ein. Aber am Dreiklang zweifeln lässt ihn das noch lange nicht.

Auf die Bühne tritt Lindner dieses Mal nicht

Siebzehn Stunden zuvor, als die Hochrechnungen noch zwischen geradeso drin und garantiert draußen differieren, mischt Lindner sich auf der FDP-Wahlparty kurz unter die Menge. Mit einem Bier in der Hand und äußerlich unbeeindruckt von den Geschehnissen, plauderte er unter anderem mit Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel. Der saß im Kabinett, als die FDP nach vier Jahren Schwarz-Gelb aus dem Bundestag flog; er kann als erfahren gelten in Sachen liberale Abwärtstrends.

Auf die Bühne tritt Lindner, anders als bei den vorangegangenen Wahlen, dieses Mal nicht. Nur der Berliner Landesvorstand tritt nach der ersten Prognose auf. Czaja bedankt sich bei seinen Mitstreitern in einem Wahlkampf, den sie in der FDP auch jetzt noch gut finden, trotz des Ausgangs. Weil es schon die fünfte Wahl ist, nach der die Freien Demokraten Worte finden müssen für eine Niederlage, einigen sich Berichterstatter vor Ort, dieses Mal den Satz von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, die FDP sei nichts für schwache Nerven, nicht zu verwenden.

Die meisten Wähler hat die FDP an die CDU verloren, die zweitmeisten ans Sofa

Um 18 Uhr, als die erste Prognose verkündet wird, bricht bei den Zahlen für die CDU Jubel aus. Der aber bleibt den FDP-Anhängern schon Sekunden später im Halse stecken, als der gelbe Balken bei 4,5 Prozent stehen bleibt. Die meisten Wähler hat die FDP an die CDU verloren, die zweitmeisten ans Sofa, wo offenbar viele sitzengeblieben sind, die beim letzten Mal noch die Liberalen gewählt haben. An einem der Stehtische analysiert einer, der seit 1983 Parteimitglied ist, die Sache mit den Nichtwählern. Das zeige deutlich, sagt er, "dass unsere Wähler mit uns unzufrieden sind".

Präsidiumsmitglied Michael Theurer erläutert, den Wahlkampf habe am Ende die Frage beherrscht, wer Regierender Bürgermeister werde. Auswirkungen auf die Ampel im Bund verneint er. Sie hätten sich aus staatspolitischer Verantwortung für diese Koalition entschieden, und zwar im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Und angesichts der schweren Krisen, die sie zu bewältigen hätten, findet Theurer ein Jahr eh zu kurz für ein Fazit.

Lindner allerdings leitet am Tag danach durchaus ein paar bundespolitische Schlussfolgerungen ab aus dem Berliner Ergebnis. Erstens: "Eine Politik gegen das Auto ist ganz offensichtlich nicht im Interesse der Menschen." Zweitens: "Die Menschen lassen sich die Beobachtung von nicht gelingender Integration im Alltag nicht ausreden", weshalb die irreguläre Migration reduziert werden müsse. Und drittens: "Die Bürger wollen den wirtschaftlichen Erfolg", weshalb es nicht mehr Bürokratie und Steuern geben dürfe, sondern geringere Belastungen.

Dass Lindner nun, nach Berlin, als Parteichef angeschlagen wäre, behauptet niemand von Rang in der Partei. Auch Parteivize Wolfgang Kubicki nicht, der am Wahlabend mit einem Glas Wein in der Hand seinen Zuhörern aber trotzdem erklärt, dass die schlechten Ergebnisse der FDP in den Ländern durchaus mit dem Erscheinungsbild der Partei im Bund zusammenhingen. "Wir müssen konsequenter sein", sagt er. Die Wähler fremdelten nicht mit der FDP, sondern mit der Rolle der FDP in der Ampelkoalition.

Schließlich weist Kubicki noch dezent darauf hin, dass es links von der FDP nun mal keine Mehrheit für ein Bündnis im Bund gebe. Und dass in einer Koalition immer alle Partner gleich stark seien, weil das Bündnis nun mal nur mit allen Partnern funktioniere - eine Feststellung, die Lindner am nächsten Tag mit ähnlichen Worten wiederholen wird. Danach aber erzählt Kubicki doch lieber noch von seinem geplanten Auftritt beim Stockacher Narrengericht an diesem Donnerstag und gibt schon mal ein paar Zeilen seiner Rede zum Besten.

Am Freitagabend, beim Wahlkampfabschluss der FDP in Berlin Mitte, hatte die Bühne hinter Lindner und Czaja noch optimistisch bunt geleuchtet wie ein Tequila Sunrise. Rückblickend allerdings, mit 4,6 Prozent auf dem Konto, drängt sich der Gedanke auf, ob das nicht vielleicht schon der Sonnenuntergang war.

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