Wiederholungswahl in Berlin:Härtetest für die Ampelkoalition

Wiederholungswahl in Berlin: Das schlechte Ergebnis der Berlin-FDP drückt auch bei der Bundespartei auf die Stimmung.

Das schlechte Ergebnis der Berlin-FDP drückt auch bei der Bundespartei auf die Stimmung.

(Foto: Chris Emil Janssen/IMAGO)

Die fünfte Schlappe in Serie für die FDP bei einer Landestagswahl verschärft die Konflikte in der Bundesregierung. Wer künftig im Roten Rathaus in Berlin sitzt, ist noch offen.

Von Daniel Brössler

Nach der Wiederholungswahl in Berlin steht die Bundeshauptstadt vor einer schwierigen Regierungsbildung und die Ampelkoalition im Bund vor neuen Spannungen. Am Montag blieb unklar, ob SPD, Grüne und Linke ihre Koalition im Roten Rathaus fortsetzen werden oder der Wahlgewinner, CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner, sich Hoffnungen auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters machen kann. Die CDU legte bei der Wahl um zehn Punkte zu und wurde mit 28,2 Prozent klar stärkste Kraft. Mit Verlusten und nur einem Vorsprung von 105 Stimmen vor den Grünen landete die SPD mit 18,4 Prozent auf dem zweiten Platz. In einer Konstellation mit den Grünen (ebenfalls 18,4 Prozent) und den Linken (12,2 Prozent) könnte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey im Amt bleiben. Sowohl SPD als auch Grüne zeigten sich aber offen für Gespräche auch mit der Union. Die FDP flog mit 4,6 Prozent erneut aus einem Landesparlament.

Das sehr unterschiedliche Abschneiden der Ampelparteien befeuerte Diskussionen um die Folgen der Wahl für das ohnehin belastete Klima in der Bundesregierung. "Auf manchen Streit hätte ich gerne verzichtet", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil. Respekt erarbeite man sich durch "geräuschloses" Abarbeiten von Problemen. "Wir werden unsere Arbeit innerhalb der Bundesregierung nicht von Landtagswahlergebnissen abhängig machen, sondern von den Herausforderungen, vor denen dieses Land steht", betonte die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, am Montag. In der Verkehrspolitik gehe es um bezahlbare Mobilität und das Erreichen der Klimaziele, in der Migrationspolitik auch um Fachkräfte. Sie wünsche sich, "dass wir an diesen Potenzialen gemeinsam als Regierung arbeiten und uns jetzt nicht in irgendwelchen Schlachten verlieren nach diesem Wahlergebnis".

Die Worte dürften insbesondere an die FDP gerichtet gewesen sein, die nach der fünften Wahlniederlage in Folge unter Druck steht. Man verfolge "eine klare Strategie, die sich hier in Berlin noch nicht ausgezahlt hat, an der wir aber festhalten", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Die FDP stelle Erfolge der Regierung heraus, arbeite an "liberalen Modernisierungsprojekten" und trete in der Ampelkoalition als "Garant für eine Politik der Mitte" auf. "Mögen andere über Verbote, Fesseln, Steuererhöhungen und neue Schulden nachdenken, wir sorgen dafür, dass das Land in der politischen Mitte verbleibt", sagte er. Dies konnte durchaus als Kampfansage an die Koalitionspartner, insbesondere an die Grünen, aufgefasst werden.

CDU will mit SPD und Grünen sprechen

CDU-Chef Friedrich Merz sprach von einem "guten Start" ins Jahr und sieht seine Partei durch den Erfolg in Berlin auch bundespolitisch im Aufwind. Die Wähler in Berlin hätten für einen Wechsel gestimmt. "Der jetzige Senat mag noch über eine rechnerische Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügen, politisch hat er die Mehrheit gestern verspielt", sagte er. Der CDU-Spitzenkandidat Wegner kündigte an, Ende dieser oder zu Beginn der nächsten Woche Gespräche mit SPD und Grünen aufzunehmen. "Es ist jetzt nicht die Zeit für Taktierereien. Es ist jetzt Zeit zum Machen", sagte er. Berlin sei gespalten in Außenbezirke und Innenstadt, Autofahrer und Fahrradfahrer, Mieter und Vermieter, Alt und Jung. Sein Ziel sei eine stabile Regierung, die die Stadt wieder zusammenführe.

Insbesondere die Grünen reagierten mit Verweis auf harte Differenzen mit der CDU etwa in der Verkehrspolitik skeptisch. Ihre Präferenz liege bei einer Fortsetzung der bisherigen Koalition, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch. Sie gehe "dennoch sehr ernsthaft in die Gespräche auch mit der CDU". Die Grünen-Politikerin meldete keinen Anspruch auf das Amt der Regierenden Bürgermeisterin an. Der Vorsprung der SPD von 105 Stimmen vor den drittplatzierten Grünen sei ein demokratisches Ergebnis. Giffey hatte zuvor klargestellt, dass für sie ein Ämtertausch zur Hälfte der Legislaturperiode nicht infrage käme. Die SPD wolle eine "starke, führende Rolle" in der nächsten Landesregierung spielen, betonte sie.

Als Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden der SPD und der Unzufriedenheit in der Berliner Bevölkerung forderte Giffey eine Veränderungsagenda in vier zentralen Feldern. Dies betreffe die Bereiche Verkehr, Wohnungsbau, Innere Sicherheit und Verwaltung, sagt sie nach der Sitzung des SPD-Präsidiums. Zum wiederholten Male verwies sie darauf, dass sie in nur 13 Monaten nicht ausreichend Zeit gehabt habe, die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen. Die Koalition habe sich aber "in puncto Krisenbewältigung" durchaus bewährt. Dies gelte im Umgang mit dem Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine, aber auch bei der Bewältigung der hohen Energiepreise. Die Wahlwiederholung war notwendig geworden, weil der Berliner Verfassungsgerichtshof die Wahl vom 26. September 2021 wegen zahlreicher Pannen und "schwerer systemischer Fehler" für ungültig erklärt hatte.

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