Kai Wegner als Regierender Bürgermeister:Enger Terminplan für Regierungsbildung in Berlin

Kai Wegner als Regierender Bürgermeister: Viele in der SPD halten CDU-Chef Kai Wegner wegen dessen Haltung zu innerer Sicherheit und Migration als Regierenden Bürgermeister für untragbar.

Viele in der SPD halten CDU-Chef Kai Wegner wegen dessen Haltung zu innerer Sicherheit und Migration als Regierenden Bürgermeister für untragbar.

(Foto: Maurizio Gambarini /IMAGO/Funke Foto Services)

Die CDU setzt auf eine Koalition mit den Sozialdemokraten. Manch einer redet den offenkundig wachsenden Widerstand in der SPD gegen das Bündnis klein.

Von Miriam Dahlinger und Jan Heidtmann, Berlin

Berlin soll schwarz werden, und daran wird auch das gute deutsche Beamtenrecht nichts mehr ändern. Denn selbst in den zwölf Bezirken der Stadt dürfte es nun doch Wechsel geben. Von denen hatte die CDU bei der Wiederholungswahl neun gewonnen. Bislang bewahrt Bezirksbürgermeister und Stadträte in Berlin nur der Umstand, dass sie Beamte auf Zeit sind, weitgehend davor, vorzeitig abgewählt zu werden. Doch auch die bisher Regierenden in den Bezirken haben inzwischen eingesehen, dass der Wählerwille zu deutlich ausgefallen ist, als dass man ihn übergehen könnte.

Auf Landesebene scheint ebenfalls klar zu sein, dass CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner der nächste Regierende Bürgermeister wird. Ein Christdemokrat im Amtszimmer des Roten Rathauses, das gab es zuletzt vor 22 Jahren. Am Donnerstag beginnen die Koalitionsgespräche zwischen dem Wahlsieger CDU und der knapp zweitplatzierten SPD.

Jede der beiden Parteien soll fünf Senatorenposten besetzen

Offen mag so kurz vor dem Beginn der Verhandlungen keiner aus den beteiligten Parteien sprechen. Aber in Hintergrundgesprächen zeichnen sich die Konturen eines neuen Senats aus CDU und SPD ab. Demnach soll jede der Parteien fünf der zehn Senatorenposten besetzen. Der CDU sind die Bereiche Finanzen, Justiz, Kultur und Bildung wichtig. Als Kultursenator hat Wegner bereits im Wahlkampf den Musikmanager Joe Chialo vorgeschlagen; die Senatsverwaltung für Bildung soll die Schulleiterin Katharina Günther-Wünsch übernehmen. Das Ressort ist seit 27 Jahren in der Hand der SPD.

Strittig sind offenbar noch die Themen innere Sicherheit und Verkehr. Beide Parteien sind an den zuständigen Ressorts interessiert, der SPD-Co-Chef und Fraktionsvorsitzende Raed Saleh hatte jedoch erklärt, es sei "fest verabredet", dass "das Innenressort von der SPD besetzt wird". Klar scheint jedenfalls zu sein, dass sich beide Parteien bereits bei mehreren Themen einig sind, die in dem noch regierenden Linksbündnis immer wieder für Streit gesorgt haben: Die Polizei soll Taser und Bodycams bekommen, Kriminalitätsschwerpunkte sollen mit Kameras überwacht werden. Wichtig für die SPD ist auch eine andere Senatsverwaltung: Das Ressort für Stadtentwicklung und Bauen gehört im Selbstverständnis der Genossen den Sozialdemokraten. In einem neuen Senat könnte es das neue Amt für eine Senatorin Franziska Giffey sein. Als Regierende Bürgermeisterin hatte sie den Wohnungsbau zur Chefinnensache erklärt.

Der Terminplan der kommenden Wochen ist eng. Der Koalitionsvertrag soll bereits Anfang April geschrieben sein, die SPD will zwischen dem 8. und dem 21. April ihre Mitglieder dazu befragen. Die Berliner Jusos würden die schwarz-rote Koalition am liebsten noch vorher stoppen. Die Jugendorganisation der SPD lehnt eine Regierung mit der CDU strikt ab und kündigte auf Twitter "die größte parteiinterne Kampagne" an, die die SPD Berlin je gesehen habe. Die CDU sei im Wahlkampf "maximal auf Polarisierung und Ausgrenzung" aus gewesen und für die SPD damit kein geeigneter Koalitionspartner, begründet die Berliner Co-Vorsitzende der Jusos, Sinem Taşan-Funke, ihren Widerstand im Gespräch mit der SZ.

Die Berliner Jusos hatten gehofft, neue Mitglieder zu gewinnen, die gegen den Koalitionsvertrag stimmen würden. Ähnlich wie Kevin Kühnert, auf dessen Werben als Chef der Bundes-Jusos 2018 in nur einem Monat mehr als 20 000 Neu-Mitglieder eintraten, um mit deren Stimmen eine große Koalition im Bund zu verhindern. Der Versuch scheiterte, aber Kühnert bekam vom damaligen Generalsekretär Lars Klingbeil immerhin einen SPD-Toaster geschenkt. In Berlin ist bereits der Plan gescheitert: "Der Landesvorstand hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht", sagt Taşan-Funke. Stimmberechtigt sind nach jüngstem Beschluss nur Parteimitglieder, die bis zum 24. Februar eingetreten sind.

Noch bezweifeln in der SPD viele, dass die Parteilinke eine Koalition mit der CDU verhindern wird. Auch wenn der Widerstand an der Basis zu wachsen scheint. Am Samstag stimmte Giffeys eher linksgerichteter Kreisverband gegen eine Regierung mit der CDU, mit 48 zu 45 fiel die Abstimmung aber knapp aus. Die Gegner einer großen Koalition aus der Neuköllner SPD argumentierten, Wegners Haltung zu Migration und innerer Sicherheit passe einfach nicht zur SPD.

Giffey, die selbst anwesend war, argumentierte, dass man aus der Opposition heraus nicht gestalten könne. Ein Argument, das zumindest die Jusos nicht überzeugt. Auf Bundesebene habe man beobachten können, dass eine große Koalition "mindestens Stillstand" bedeute, so Taşan-Funke: "Das tut einer progressiven Kraft SPD nicht gut." Eine rot-grün-rote Koalition wäre den Jusos zwar am liebsten, in der Opposition könne man sich aber auf "eigene Grundsätze besinnen". Das sei nötig, um nicht beliebig zu werden. Und zwar am besten ohne Franziska Giffey an der Spitze: "Wir brauchen eine Führung, die einen Neuanfang inhaltlich auch vertreten kann. Das wird nicht funktionieren, indem man innerparteilich einfach weitermacht", sagt Taşan-Funke.

Neben dem Kreisverband Neukölln hat sich nach Berichten des Tagesspiegels inzwischen der Kreisverband Steglitz-Zehlendorf ebenfalls gegen eine schwarz-rote Koalition ausgesprochen. Auch in anderen Verbänden scheint sich die Stimmung gegen Giffey zu wenden, auf unterster kommunaler Ebene forderte etwa die SPD in Mariendorf im Bezirk Tempelhof-Schöneberg eine "Neuaufstellung auf Landesebene".

Bei der Berliner CDU will man sich aber keine Sorgen machen, dass eine Regierung unter schwarzer Führung scheitern könnte. "Noch ist die Stimmung gut", sagt etwa Stephan Standfuß, der seit 2016 im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt und eine der 13 Arbeitsgruppen leiten soll. Er habe das Gefühl, der Rückhalt sei auch innerhalb der SPD noch da, sagt er. "Die Jusos sind vielleicht laut, aber nicht die Mehrheit."

In jedem Fall sind es noch mindestens an die zwei Monate bis zum Regierungswechsel in Berlin. Wie die Stadt bis dahin regiert werden soll, ist jedoch gerade schwer vorstellbar. Die SPD behauptet, Auftreten und Forderungen der Grünen bei den Sondierungsgesprächen hätten die Neuauflage des Linksbündnisses scheitern lassen. Grüne und Linke haben diese Vorwürfe geradezu empört zurückgewiesen. Selbst das Restvertrauen scheint zerstört zu sein. Im Bürgermeistergespräch zwischen Giffey und ihren Stellvertretern Bettina Jarasch (Grüne) und Klaus Lederer (Linke) habe man sich aber jetzt geeinigt, heißt es: Die gemeinsame Regierungszeit soll professionell zu Ende gehen.

Zur SZ-Startseite
ACHTUNG BILDER NICHT ALS SYMBOLBILDER VERWENDEN

SZ PlusFachkräftemangel
:Die Friseurin, die jetzt U-Bahn fährt

In deutschen Städten fehlen Bus- und U-Bahn-Fahrer. Berlin geht nun in die Offensive und wirbt Quereinsteiger an - und das ziemlich erfolgreich. Unterwegs auf der Linie U7.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: