Frankreich:Mit 64 ist Schluss, oder?

Lesezeit: 2 min

Eine volle Rente bekommt nur, wer auch lange genug in die Rentenkasse eingezahlt hat - und das künftig frühestens mit 64 Jahren. Protest gegen die Reform in Marseille. (Foto: Daniel Cole/AP)

Was Macrons umstrittene Rentenreform wirklich bedeutet - und was nicht.

Von Kathrin Müller-Lancé, Paris

Beim Thema Rentenreform ist man in Deutschland schnell beim Klischee der faulen Franzosen. Hierzulande müssen die Menschen künftig schließlich arbeiten, bis sie 67 Jahre alt sind, in den Niederlanden und in Italien womöglich sogar bis über 70. Und da ärgern sich die Französinnen und Franzosen, wenn sie mit 64 statt mit 62 in Rente gehen sollen? Ganz so einfach ist das nicht.

Tatsächlich sieht die Reform der französischen Regierung vor, das gesetzliche Renteneintrittsalter bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre anzuheben. Das heißt aber nicht, dass in Frankreich bisher alle mit 62 in Rente gingen und künftig mit 64 in Rente gehen werden. Tatsächlich beginnt der Ruhestand für viele erst später. Das gesetzliche Renteneintrittsalter ist lediglich das Alter, mit dem man in Frankreich frühestens in Rente gehen kann. Eine volle Rente bekommt aber nur, wer auch lange genug in die Rentenkasse eingezahlt hat. Momentan liegt die Zahl von Beitragsjahren für einen vollen Rentenanspruch bei 42 Jahren. Durch die Reform soll sie bis 2027 auf 43 Jahre steigen.

Das heißt: Wer zum Beispiel mit 23 Jahren angefangen hat zu arbeiten, musste auch nach der bisher geltenden Regelung bis mindestens 65 arbeiten, um ohne Abschläge in Rente gehen zu können. Nach der Reform wird er erst mit 66 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Mit 67 Jahren haben Französinnen und Franzosen bisher unabhängig von der Einzahldauer Anspruch auf eine volle Rente - das soll auch nach der Reform beibehalten werden.

Im internationalen Vergleich gehen die meisten in Frankreich früh in die Rente

Allerdings sah das bisherige Rentensystem für viele Branchen Sonderregelungen vor, die sogenannten régimes spéciaux. Metrofahrer bei den Pariser Verkehrsbetrieben konnten zum Beispiel teils schon mit 52 in Rente gehen, Mitarbeiter des Stromkonzerns EDF teils mit 60. Die meisten dieser Sonderregelungen soll es nach der Reform nicht mehr geben. Unter anderem wegen der zahlreichen Sonderregelungen scheiden die Französinnen und Franzosen bisher im internationalen Vergleich verhältnismäßig früh aus dem Arbeitsleben aus, Frauen mit 60,9 Jahren, Männer mit 60,4 Jahren. Der Durchschnitt der OECD-Länder liegt bei 62,4 Jahren für Frauen und bei 63,8 Jahren für Männer.

Durch die Reform müssten vor allem die Menschen länger arbeiten, die früh in anstrengende und schlecht bezahlte Berufe eingestiegen sind, ist einer der Hauptkritikpunkte der Reformgegner. Gut bezahlte Akademikerinnen und Akademiker, die erst nach einem Studium angefangen haben zu arbeiten, seien schließlich bisher ohnehin oft erst mit 64 Jahren oder noch älter in Rente gegangen. Dabei sieht die Reform Ausnahmeregelungen für alle vor, die sehr früh angefangen haben zu arbeiten. Wer zum Beispiel schon mit 18 Jahren ins Berufsleben eingestiegen ist, soll mit 60 Jahren in Rente gehen können. Auch die Erhöhung der Mindestrente auf 1200 Euro stimmt viele Gegner nicht milde. Die sollen nämlich nur Beschäftigte bekommen, die alle erforderlichen Beitragsjahre lang eingezahlt haben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: