Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst:Bundesweiter Stillstand löst Kritik aus

Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst: Menschenleer waren die Bahnsteige am Montag auch im Erfurter Hauptbahnhof.

Menschenleer waren die Bahnsteige am Montag auch im Erfurter Hauptbahnhof.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Verdi und die Eisenbahngewerkschaft EVG legen den öffentlichen Nah- und Fernverkehr in Deutschland lahm und entfachen damit eine Debatte, ob so massive Streiks rechtmäßig sind.

Von Benedikt Peters und Johan Schloemann, München

Der bundesweite Streik brachte den öffentlichen Nah- und Fernverkehr am Montag weitgehend zum Erliegen. Die für deutsche Verhältnisse außergewöhnlich umfangreichen Arbeitsniederlegungen lösten eine Debatte über die Frage aus, inwieweit Streiks in diesem Umfang rechtmäßig sind. Während in Potsdam die dritte Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst begann, kam der Fernverkehr der Bahn ganz, der Regional- und S-Bahn-Verkehr sowie der Nahverkehr in sieben Bundesländern großteils zum Erliegen. Auch der Zugverkehr mit Nachbarländern war betroffen.

Nach einer Reihe von Warnstreiks in Kindergärten oder Kliniken hatte die Gewerkschaft Verdi mit der Eisenbahngewerkschaft EVG zu einem 24-stündigen Warnstreik im Verkehr aufgerufen. Weil der Ausstand in der vergangenen Woche angekündigt worden war, blieb ein größeres Chaos aus. Behinderungen durch Staus auf den Straßen waren laut ADAC kaum schlimmer als sonst im Berufsverkehr, offenbar haben viele Pendler, wo sie es konnten, im Home-Office gearbeitet. Manche Schülerinnen und Schüler durften zu Hause bleiben, zu Schulschließungen kam es aber nicht.

Auch wenn sich die meisten auf die Ausfälle vorbereitet zeigten, befeuert das Ausmaß des Arbeitskampfs eine Debatte über eine mögliche Begrenzung von Streiks in Deutschland. Die Arbeitsniederlegungen im Verkehr kämen "einem Generalstreik ziemlich nahe", sagte etwa Gerd Landsberg (CDU), Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. Auch die Chefin der CDU-Mittelstandsvereinigung, Gitta Connemann, kritisierte die Warnstreiks als überzogen, da Millionen unbeteiligte Dritte wie etwa Pendler oder Familien betroffen seien. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber hatte bereits im Februar angesichts der zahlreichen Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst gefordert, Warnstreiks stärker zu regulieren.

Rechtlich gilt die Forderung jedoch als kaum umsetzbar, da die Aktivitäten von Gewerkschaften (ebenso wie von Arbeitgebern) starken grundgesetzlichen Schutz genießen. SPD-Chef Lars Klingbeil hat solche Appelle vor diesem Hintergrund in der Welt am Sonntag als "absurd" bezeichnet. Deutschland habe im internationalen Vergleich wenige Streiktage, die Arbeitnehmerschaft verhalte sich seit Jahrzehnten "höchst verantwortlich" und habe das gesamtwirtschaftliche Wohl im Blick. Verdi-Chef Frank Werneke verteidigte am Montag die Zusammenarbeit mit der Bahngewerkschaft, die ein "Ergebnis des Tarifkalenders" sei.

Ob es weitere Streiks im öffentlichen Dienst geben wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Bis Mittwoch soll über höhere Gehälter für 2,5 Millionen Beschäftigte verhandelt werden, Verdi fordert zum Ausgleich der Inflation 10,5 Prozent mehr Lohn sowie ein monatliches Mindestplus von 500 Euro, das für viele Angestellte noch höhere Gehaltssteigerungen bedeuten würde. Zum Auftakt der Gespräche gab es verhaltene Signale, dass sich Arbeitgeber sowie Verdi und der Beamtenbund annähern könnten. Ein Scheitern der Verhandlungen gilt aber ebenso als möglich. Dann dürften neue Arbeitsniederlegungen folgen. Die Deutsche Bahn und die Eisenbahngewerkschaft EVG wollen ihre Tarifverhandlungen im April fortsetzen. An den Osterfeiertagen soll es keine Bahnstreiks geben.

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