Keine Einigung:Tarifverhandlungen für öffentlichen Dienst vorerst gescheitert

Keine Einigung: Während der Tarifrunde gab es viele Warnstreiks, wie hier am Düsseldorfer Flughafen.

Während der Tarifrunde gab es viele Warnstreiks, wie hier am Düsseldorfer Flughafen.

(Foto: Christopher Neundorf/Imago)

Arbeitgeber und Gewerkschaften können sich auch beim dritten Gesprächstermin nicht auf mehr Lohn für die 2,5 Millionen Beschäftigten einigen. Nun kommt die Schlichtung - und danach möglicherweise ein unbefristeter Streik.

Von Alexander Hagelüken und Benedikt Peters

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind vorerst gescheitert. Arbeitgeber und Gewerkschaften erzielten in der letzten von drei geplanten Verhandlungsrunden kein Ergebnis. Die Arbeitgeber kündigten an, nun die Schlichtung anzurufen, um eine Einigung herbeizuführen. Ab Sonntag gilt eine Friedenspflicht bis zum 13. April, bis dahin wird es keine weiteren Streiks geben. Danach könnte sich der Arbeitskampf jedoch verschärfen, wenn die Schlichtung scheitert, was Insidern zufolge als möglich gilt.

"Wir bedauern sehr, dass die Einigung nicht zustande kam", erklärte Karin Welge, Verhandlungsführerin der Arbeitgeber, nach dem Abbruch der Verhandlungen. "Wir konnten uns vorstellen, einen Inflationsausgleich von 3000 Euro netto zu zahlen. Das hätte den Beschäftigten sofort und unmittelbar geholfen." Zusätzlich hatten die Arbeitgeber acht Prozent mehr Lohn und einen monatlichen Mindestbetrag von 300 Euro mehr für die 2,5 Millionen Beschäftigten angeboten. Es war allerdings zunächst unklar, für welche Laufzeit des Tarifvertrags dieses Angebot galt. Verdi hatte 10,5 Prozent mehr Lohn sowie einen Mindestbetrag von 500 Euro binnen des kommenden Jahres verlangt.

Wie wahrscheinlich sind neue Streiks?

Verdi-Chef Frank Werneke sieht die Schuld für das Scheitern bei der anderen Seite: "Für uns steht nach wie vor ein sozial gerechter Abschluss im Mittelpunkt. Die Arbeitgeber waren trotz deutlicher Bewegung nicht bereit, den Beschäftigten beim Mindestbetrag ausreichend entgegenzukommen", so der Verdi-Vorsitzende. "Die Vorschläge der öffentlichen Arbeitgeber hätten nicht sichergestellt, dass die Kaufkraft insbesondere für die unteren und mittleren Einkommensgruppen erhalten bleibt."

Die Schlichtung wird nun so ablaufen: Binnen der kommenden zwei Wochen versuchen zwei Schlichter, einen Einigungsvorschlag auszuarbeiten. Verdi hat dafür den ehemaligen Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD) ernannt, die Arbeitgeber haben sich auf Georg Milbradt (CDU) verständigt, den früheren sächsischen Ministerpräsidenten. Lühr ist der stimmberechtigte Schlichter; das bedeutet, dass er den Tarifparteien auch dann einen Einigungsvorschlag unterbreiten kann, wenn Milbradt mit diesem nicht einverstanden ist. Gewerkschaften und Arbeitgeber können dann entscheiden, ob sie den Vorschlag annehmen - was beide Seiten tun müssen, damit die Schlichtung erfolgreich ist.

Sollte sie hingegen scheitern, werden die Gewerkschaften eine Urabstimmung über einen unbefristeten Streik einleiten. Dass sich die Beschäftigten dann für den Streik aussprechen, gilt als so gut wie sicher. Dann droht ein flächendeckender, harter Arbeitskampf im öffentlichen Dienst wie zuletzt 1992. Damals streikten unter anderem Müllwerker, Pflegekräfte, Postbeschäftigte und Erzieher elf Tage lang. Es kann jedoch auch anders kommen, wie jüngst die Tarifrunde bei der Post zeigte. Nach dem Scheitern der Gespräche hatten sich die Beschäftigten klar für Streik ausgesprochen. Dann unterbreitete das Management der Post Verdi jedoch ein neues Angebot - auf das man sich schließlich einigte, so dass es nicht zu einem unbefristeten Streik kam.

Die Tarifrunde hatte sich schon zuvor äußerst schwierig gestaltet, die Stimmung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern war angespannt. Das lag zum einen an der besonders hohen Forderung, die Verdi und der Beamtenbund im Herbst veröffentlicht hatten: Sie verlangten 10,5 Prozent mehr Lohn sowie ein monatliches Mindestplus von 500 Euro, was für viele Beschäftigte Lohnsteigerungen von bis zu 25 Prozent bedeutet hätte. Die Gewerkschaften begründeten das mit der hohen Inflation, die im vergangenen Jahr bei sieben Prozent lag und für dieses Jahr ähnlich prognostiziert wird. Und sie verwiesen auf den Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst - 300 000 Stellen sind Schätzungen zufolge derzeit unbesetzt - und argumentierten, die Jobs müssten dringend attraktiver werden.

Einige Kommunen haben wenig Geld

Während sich der Bund, für den Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verhandelte, eher verständnisvoll zeigte, wiesen die Arbeitgebervertreter der Kommunen die hohe Forderung entschieden zurück. Die Finanzlage vieler Kommunen sei angespannt, hieß es. In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz etwa leiden sie unter hohen Altschulden, auch in den ostdeutschen Ländern sind viele nicht gut aufgestellt. Ralf Hänsel, Landrat in Meißen und Präsident der kommunalen Arbeitgeber in Sachsen, hatte in Aussicht gestellt, dass manche Kommunen im Falle eines derart hohen Abschlusses Leistungen einschränken, etwa das Angebot von Musikschulen, oder Gebühren erhöhen müssten.

Zusätzlichen Unmut verursachten die zahlreichen Warnstreiks, zu denen insbesondere Verdi aufgerufen hatte. Kitas hatten zeitweise geschlossen, Krankenhäuser stellten auf Notbetrieb um, Verwaltungsangestellte legten die Arbeit nieder. Höhepunkt war ein bundesweiter Verkehrsstreik am vergangenen Montag, mit dem Verdi und die Eisenbahngewerkschaft EVG Deutschland weitgehend zum Stillstand brachten.

Während die Gewerkschaften die Warnstreiks mit dem hohen Leidensdruck bei den Beschäftigten begründeten und auf das in ihren Augen unzureichende erste Angebot von Bund und Kommunen verwiesen (fünf Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 27 Monaten, dazu 2500 Euro Inflationsausgleichsprämie), verurteilten die Arbeitgeber die Aktionen. "Selten habe ich es erlebt, dass die Bevölkerung eines Landes derartig in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir lehnen die Streikmaßnahmen entschieden ab", sagte Arbeitgeber-Verhandlungsführerin Welge (SPD), im Hauptjob ist sie Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen. Die Arbeitgebervereinigung BDA forderte angesichts der vielen heftigen Warnstreiks in den vergangenen Monaten, diese stärker zu regulieren.

In den Verhandlungen hatte es dem Vernehmen nach bis zuletzt Streit um das von Verdi und Beamtenbund geforderte monatliche Mindestplus von 500 Euro gegeben. Den Gewerkschaften war das wichtig, da es für niedrige Einkommen eine besonders starke Erhöhung bedeutet hätte. Die Arbeitgeber dementierten einen Medienbericht, demzufolge es bereits am Dienstag ein verbessertes Angebot gegeben habe. In den Verhandlungen verlangten sie stärkere Anreize für die Beschäftigten in den höheren Gehaltsgruppen, damit es sich stärker lohne, im öffentlichen Dienst Führungsverantwortung zu übernehmen. Verdi-Chef Werneke hatte das als "krass unsozial" bezeichnet.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungGewerkschaften
:Der Superstreik ist eine gute Nachricht

Es nervt, wenn Kinder zu Hause bleiben müssen und Menschen nicht zur Arbeit können. Viel wichtiger aber ist: Die Arbeitnehmer haben ihre Macht wiederentdeckt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: