Entwicklungshilfe:Halb daheim in Asien

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Mehr als 400 Kinder in Myanmar unterstützt Monika Proksch (ganz links) derzeit. (Foto: privat)

Seit 25 Jahren engagiert sich Monika Proksch für benachteiligte Kinder in Myanmar und Kambodscha. Mit ihrem eigenen Hilfswerk sammelt die Dießenerin in Südostasien dabei 100 000 Euro im Jahr an Spenden.

Von Armin Greune, Dießen

Manchmal geht es in Myanmar "bloß" um einen Sack Reis. Kurz nach Ausbruch der Pandemie konnte Monika Prokschs Verein "Zukunft für die Kinder der Welt" 355 Zentner-Säcke kaufen und damit ebenso viele Familien in den Bergdörfern Hoya und Khabe versorgen. 7500 Euro an Spenden reichten, um den akuten Hunger von etwa tausend Menschen zu bekämpfen. In den vergangenen drei Jahren hat sich das Elend im vormaligen Burma nochmal dramatisch verschärft: Erst suchte Corona das Land heim - was etwa eine 28-monatige Schließung der öffentlichen Schulen zu Folge hatte.

Anfang 2021 ergriff das Militär gewaltsam die Macht, seitdem werden immer wieder Luftangriffe gegen die eigenen Bürger geflogen: "Hunderte von Dörfern wurden niedergebrannt, Tausende starben, Zehntausende wurden inhaftiert", sagt Proksch. Hilfsorganisationen schätzen, dass sich der Anteil der Burmesen, die in Armut leben, auf 85 Prozent vervierfacht hat. Weite Teile der Bevölkerung befinden sich im zivilen Widerstand. Lehrer und Ärzte haben ihre Arbeit eingestellt, "die Leute boykottieren alle Produkte und Dienstleistungen, die von der Regierung kommen".

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Monika Proksch ist stets bestens darüber informiert, was in Myanmar geschieht. Täglich steht sie online über Internet und Telefon mit Freunden, Zöglingen und Helfern in Kontakt; manche Gespräche dauern Stunden. Zwar lebt die pensionierte Wirtschaftsschullehrerin seit 32 Jahren in Dießen, doch sie fühlt sich mindestens genau fest in Südostasien geerdet. "Jedes Jahr, seitdem ich nicht mehr arbeite" hat sie längere Zeit auf dem Subkontinent verbracht. Zunächst als Touristin, dann im Einsatz für bedürftige Menschen: Seit 25 Jahren leistet der von ihr gegründet Verein humanitäre Hilfe in Kambodscha und vor allem Myanmar.

Erst kürzlich ist sie von dort zurückgekehrt - nach fast dreijähriger, von Covid 19 verordneter Zwangspause. Ihr Aufenthalt währte dieses Mal nur drei Wochen, zuletzt waren es im Winter 2019/20 die üblichen zwei oder drei Monate gewesen. Beim Besuch vor zwei Monaten konnte sie zwar keine Kämpfe beobachten, aber nur wenige der Regionen besuchen, in der ihr Verein aktiv ist. Die drei von ihr unterstützten Heime im Kayah-Staat - wo 100 000 Flüchtlinge in Camps oder den Wäldern leben - waren für Proksch unerreichbar.

Auch zu Hause am Ammersee ist Monika Proksch über das Internet täglich mit Helfern, Zöglingen und Freunden in Myanmar verbunden. (Foto: Nila Thiel)
Zwölf Studierende am Gonzaga-Institut unterstützt das Hilfswerk von Monika Proksch (vierte von links) im Städtchen Taunggyi. (Foto: privat)
Im vom Militär brutal unterdrücktem Myanmar konnte Monika Proksch (im rosa Rock) kürzlich bloß die Kinder aus dem Heim in Kalaw zu einem Ausflug an den Strand begleiten. (Foto: privat)

Aus Sicherheitsgründen besuchte sie nur das Kinderheim in Kalaw, wohnen durfte sie dort nicht, aber immerhin konnte sie ihre Zöglinge zu für einem Wochenende am Strand ausführen. "Das war wunderbar und so wichtig für die Kinder", sagt sie, manche von ihnen kennt sie schon zwölf Jahre lang. "Digitale Kontakte reichen über einen längeren Zeitraum einfach nicht aus". In Myanmar unterstützt "Zukunft für die Kinder der Welt" acht Heime und Internate, die dem lutherischen St. Francis-Orden angehören: "Die Zusammenarbeit mit den Schwestern ist hervorragend, ich habe aber auch mit Buddhisten und Muslimen gute Erfahrungen gemacht," sagt Proksch. Sie bekennt sich selbst zu keiner Religion, gehört aber seit neun Jahren der Dießener Amnesty International-Gruppe an.

Nach dem Putsch können die Kinder aus einigen der von ihr geförderten Heime wieder sicher die staatlichen Schulen besuchen. In anderen Teilen Myanmars aber kontrollieren die Militärs die Bildungseinrichtungen. Dort haben die Heimleiterinnen den Unterricht übernommen und private Lehrkräfte angestellt. "Zukunft für die Kinder" fördert aber auch den Aufbau provisorischer Schulen in Myanmar. Insgesamt finanziert der Verein den Lebensunterhalt und die Bildung von derzeit mehr als 400 Kinder in den Heimen und einzelnen Familien.

Darüber hinaus unterstützt "Zukunft für die Kinder" zwölf Studierende am St. Aloysius Gonzaga Institute for Higher Studies im Städtchen Taunggyi. Beim jüngsten Myanmar-Aufenthalt konnte sich Proksch mit den jungen Leuten treffen. Einige Stipendiaten hatten die Ausbildung in der Pandemie abbrechen müssen, weil sie dem Online-Unterricht nicht folgen konnten; andere kamen nach dem Lockdown nicht wieder, weil deren Arbeitskraft dringend in ihren Familien gebraucht wurde. Aber inzwischen sind die Lücken mit neuen Studentinnen aufgefüllt worden: "Alle kommen aus sehr armen Familien, davon sieben junge Frauen aus dem stark umkämpften Kayah-Staat", sagt Proksch.

Bevor sich der Verein in Myanmar engagierte, wo er auch zum Bau und zur Ausstattung von Schulhäusern beitrug, war ihr Hilfswerk in Kambodscha aktiv. Proksch sammelte dort zunächst Spenden für ein Kinderkrankenhaus in Phnom Penh und unterstützte mittellose Frauen beim Lebensunterhalt der Kinder - unter anderem in einem kleinen Frauenzentrum. 2008 konnte eine mit den Spenden des Vereins gebaute Schule für 120 Kinder in Siem Reap eingeweiht werden, die nicht nur mit Uniformen und Lernmaterial, sondern auch mit zwei Mahlzeiten am Tag versorgt werden. Noch heute werden von "Zukunft für die Kinder" in Kambodscha etwa 50 Personen unterstützt.

Proksch konnte im Anschluss an den Myanmar-Besuch einige von ihnen in Siem Reep besuchen. Sozusagen exemplarisch schildert sie den Lebensweg der alleinerziehenden Mutter und Analphabetin Van (kambodschanische Namen sind meist nur einteilig): "Alle ihre sechs Kinder haben hervorragende Laufbahnen genommen, eine Tochter steht vor dem Hochschulabschluss, ihre fünf Geschwister arbeiten in guten Jobs." Das sich hier im Laufe der Jahre auch enge persönliche Kontakte aufgebaut haben, wird auch dadurch klar, dass Vans älteste Tochter Proksch schon zweimal am Ammersee besucht hat. Umgekehrt hat die 75-Jährige kürzlich wieder bei der Familie in Siem Reap gewohnt. Auch die Stadt, die bei ihrer ersten Visite vor 28 Jahren "ein lausiges Nest" gewesen sei, habe sich sehr zum Positiven entwickelt, sagt Proksch - auch wegen der Nähe zum stärksten Touristenmagnet des Landes, den Ruinen von Angkor Wat.

Besuch bei Freunden: Mit einer kambodschanischen Familie unternahm Monika Proksch (rechts) kürzlich einen Ausflug zu einem neu eröffneten Aquarium in der Nähe von Angkor Wat. (Foto: privat)

Auf die Frage, worauf sie sich am meisten bei der Heimkehr an den Ammersee freut, fällt ihr natürlich ihr Mann ein. Doch über kurz oder lang lang beginnt sie wieder über ihre Projekte zu erzählen, für die sie sich unablässig einsetzt - wenngleich nicht unbedingt im Fünfseenland. Denn selbst ihre Spender und Paten hat sie zum größten Teil in Asien gewonnen, etwa unter den Touristen in Angkor Wat. "Wenn die Leute das vor Ort sehen, sind sie leichter zu überzeugen", sagt Proksch. Mit ihrem hohen persönlichen Einsatz, minimalem Organisationsaufwand und vollkommener Transparenz über die Mittelverwendung hat sie das Vertrauen der Sponsoren auf Dauer gewonnen. Dank des "wunderbar treuen Spenderstammes" kann ihr Hilfswerk Jahr für Jahr rund 100 000 Euro aufbringen. Lediglich Bankgebühren sind davon zu zahlen, inzwischen laufen die Spendengelder über Nachbarländer. Bei Direktüberweisungen "würden sich nur die Militärs in der Zentralbank die Hände reiben", so Proksch.

In jüngster Zeit hat sie auch in ihrer Heimat neue Unterstützer gefunden. Nach ihrer Rückkehr aus Asien nahm Proksch am Netzwerktreffen für Kommunale Entwicklungspolitik in Landsberg teil. Neben anderen Projekten in der Ukraine, Jordanien und in den Welt-Läden im Landkreis stellte die Dießenerin ihr Kinderhilfswerk vor. Nach der Veranstaltung überreichte ihr ein Spender spontan 500 Euro: "Damit kann ich jetzt einen Monat lang zwanzig Kinder mehr versorgen."

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