Schwarz-rote Koalition:Fast ein Berliner Flow

Schwarz-rote Koalition: Die neuen SPD-Senatoren für Berlin, von links: Ina Czyborra (Gesundheit), Franziska Giffey (Wirtschaft), Christian Gaebler (Bauen), Iris Spranger (Innen), Cansel Kiziltepe (Arbeit und Soziales).

Die neuen SPD-Senatoren für Berlin, von links: Ina Czyborra (Gesundheit), Franziska Giffey (Wirtschaft), Christian Gaebler (Bauen), Iris Spranger (Innen), Cansel Kiziltepe (Arbeit und Soziales).

(Foto: Emmanuele Contini/Imago)

Die CDU votiert einstimmig für die neue Landesregierung mit der SPD, deren Co-Chefin Giffey das Wirtschaftsressort übernehmen will. Doch am Donnerstag wird es im Parlament noch einmal spannend.

Von Jan Heidtmann und Georg Ismar, Berlin

Nach langen, zähen Wochen des Verhandelns, Werbens und Wartens muss sich dieser Montag für alle Beteiligten endlich einmal leicht angefühlt haben. Es war fast ein Flow, mit dem noch zwei wichtige Marken auf dem Weg zu einer Regierungskoalition aus CDU und SPD genommen wurden: Kurz vor 18 Uhr votierten die Delegierten auf dem Parteitag der Berliner CDU einstimmig für das Bündnis mit den Sozialdemokraten. Das stand im krassen Kontrast zu den 54,3 Prozent Ja-Stimmen, mit denen die SPD tags zuvor gerade noch die Kurve bekommen hatte. Und dann stellten die Sozialdemokraten am Montagabend noch ihre Regierungsmannschaft vor, über deren exakte Zusammensetzung lange gerätselt worden war.

Insbesondere eine Personalie war da über die Hauptstadtgrenzen hinweg interessant: Franziska Giffey. Die Noch-Regierende-Bürgermeisterin und Co-Vorsitzende der Partei hatte in den vergangenen Wochen die Aufmerksamkeit auf unterschiedlichsten Wegen auf sich gezogen: Bei der Auszählung der Wiederholungswahl hatte sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei mit ihrer Herausforderin von den Grünen, Bettina Jarasch, geliefert. Am Ende lag die SPD um 53 Stimmen vor den Grünen. Als Nächstes hatte Giffey in den Sondierungsgesprächen auf ihr Amt verzichtet und für eine Koalition mit der siegreichen CDU plädiert, für die nun Kai Wegner in das Rote Rathaus einziehen wird. Zugleich kündigte sie an, als Senatorin für die nächste Landesregierung zur Verfügung zu stehen. Ein Schritt eine Etage tiefer, das ist eher selten in der deutschen Politik.

Die große Koalition hat nur eine Mehrheit von sechs Stimmen

"Ich selbst werde das Wirtschaftsressort übernehmen", sagte sie nun im Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses und allmählich stellte sich der Eindruck ein, dass nach diesen turbulenten und teils fast irren vergangenen Wochen tatsächlich ein neuer Senat die Hauptstadt regieren wird. Nächste und letzte Hürde ist die Wahl des Regierenden Bürgermeisters im Abgeordnetenhaus am Donnerstag. Das könnte noch einmal spannend werden. Denn die gar nicht so große Koalition hat nur eine Mehrheit von sechs Stimmen und auch ein paar SPD-Abgeordnete hatten sich gegen das Bündnis mit der CDU ausgesprochen.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, Parteimitglied in Berlin und selbst kein Freund der großen Koalition, hatte am Nachmittag enttäuschte SPD-Mitglieder aufgerufen, in der Partei zu bleiben. Mit Blick auf Forderungen nach einem Neuanfang beim SPD-Landesvorsitz und einer Ablösung von Franziska Giffey und Raed Saleh schloss Kühnert für sich aus, sich um den Landesvorsitz zu bewerben. "Ich bin Bundestagsabgeordneter und Generalsekretär der Bundespartei", betonte Kühnert. "Da habe ich keine Zeit für weitere Aufgaben." Er selbst wollte nicht verraten, wie er als Mitglied des Berliner Landesverbands abgestimmt hat, forderte aber den designierten neuen Regierenden Bürgermeister Kai Wegner auf, die Stadt zu einen "und nicht weiter zu spalten".

Raed Saleh selbst erkannte am Abend dann vor allem ein Mittel, um die Gegner der Koalition umzustimmen: "Ackern, Ackern, Ackern." Ein Rezept, das im Einklang mit Wegner stand. Auf dem CDU-Parteitag hatte er immer wieder betont, dass sein zukünftiger Senat "anpacken" und "hart arbeiten" werde.

Im Wahlkampf habe die CDU "gemeinsam Berlin überzeugt", sagte Wegner zu den Delegierten. "Ich kann nur sagen: Wir können Berlin." Die CDU sei vielfältig und sie könne auch überraschen. Dazu gehörte bei der CDU vor allem eine Besetzung: Die Vizepräsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz Felor Badenberg, 47, soll für die CDU Justizsenatorin werden. Die parteilose Juristin kam als Kind aus Iran nach Deutschland und hat in Köln studiert.

Wegner dankte außerdem Saleh und Giffey für die guten Verhandlungen zum gemeinsamen Koalitionsvertrag. "Hier ist neues Vertrauen entstanden." Zugleich zeigte Wegner auch dessen Grenzen auf und machte deutlich, dass der Wettbewerb mit der SPD um die nächste Wahl ab Donnerstag eröffnet sein wird. 2026 sollten auch die Berliner, die jetzt nicht für ihn gestimmt hätten, sagen: "Das war gut mit der CDU, da setzen wir weiter drauf." Tags zuvor hatte Franziska Giffey Ähnliches für die SPD versprochen.

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