Türkei:Stichwahl in der Türkei

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Mit einem knappen Vorsprung ging der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (links) aus der Wahl hervor. Jetzt muss er in die Stichwahl gegen seinen Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu. (Foto: OZAN KOSE/AFP, Imago/ Collage: SZ)

Der türkische Präsident Erdoğan verfehlt die absolute Mehrheit nur knapp. Bei den Wahlberechtigten in Deutschland hat er deutlich besser abgeschnitten als sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu.

Von Nadja Lissok, München

Das Rennen um das Präsidentenamt in der Türkei wird in einer Stichwahl am 28. Mai entschieden. Nach dem vorläufigen Endergebnis liegt Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan von der konservativen Partei AKP zwar vorne, hat die absolute Mehrheit von 50 Prozent aber sehr knapp verfehlt. Er komme insgesamt auf 49,51 Prozent, teilte Ahmet Yener, Chef der Wahlbehörde, in Ankara mit. Sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu, der als Kandidat für ein Bündnis aus sechs Oppositionsparteien antritt, liegt bei 44,88 Prozent der ausgezählten Stimmen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, die Wahlbeteiligung im Inland habe bei vorläufig 88,92 Prozent und im Ausland bei 52,69 gelegen.

Bei den wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Deutschland zeichnet sich eine deutliche Mehrheit für Erdoğan ab. Laut einem Zwischenstand gaben rund zwei Drittel der Wahlberechtigten in Deutschland ihre Stimme für den Amtsinhaber ab, Oppositionsführer Kılıçdaroğlu kam dagegen nur auf knapp 33 Prozent. Schon bei vorherigen Wahlen zeigte sich, dass Erdoğan bei den in Deutschland lebenden Türken einen höheren Stimmanteil bekommt als in seiner Heimat. Die im Ausland lebenden Türkinnen und Türken können zwischen 20. und 24. Mai erneut ihre Stimme abgeben.

Dem weit abgeschlagenen Kandidaten eines ultranationalistischen Parteienbündnisses, Sinan Oğan, kommt nun eine wichtige Rolle zu. Obwohl er lediglich 5,17 Prozent der Stimmen gewann, könnten seine Wähler bei der Stichwahl entscheidend sein. Mit Spannung wird erwartet, ob er eine Wahlempfehlung abgibt und ob seine Anhängerschaft dieser folgt.

Das Ergebnis der Parlamentswahl gab die Wahlbehörde bislang nicht bekannt. Es zeichnet sich aber ab, dass Erdoğans Regierungsallianz ihre Mehrheit verteidigen kann.

Am Abend und in der Nacht hatte es zunächst so ausgesehen, dass Erdoğan mit großem Abstand vorne liegt. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlicht traditionell zuerst die Resultate aus ländlichen Provinzen, die als Erdoğan-Hochburgen gelten. Im Laufe der Nacht sank Erdoğans Stimmenanteil dann kontinuierlich. Allerdings so langsam, dass sich der Eindruck festsetzen konnte, der amtierende Präsident habe stärker abgeschnitten als erwartet. Die oppositionelle CHP verfügte schon früh über ihre eigenen Zahlen. Istanbuls Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu, Mitglied in Kılıçdaroğlus CHP, sagte außerdem vor Pressevertretern, dass die islamisch-konservative AKP in Hochburgen der Opposition bewusst Einspruch gegen die Ergebnisse einlege. Dadurch werde die Auszählung langsamer gemacht, und das Ergebnis falle zunächst zugunsten der Regierung aus.

Wegen der zu erwartenden innen- und außenpolitischen Auswirkungen gilt die Wahl in der Türkei als eine der weltweit wichtigsten in diesem Jahr. Der 69 Jahre alte Erdogan ist seit 20 Jahren an der Macht. Kılıçdaroğlu verspricht die Rückkehr zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auch international wurden die Entwicklungen in der Türkei aufmerksam beobachtet wegen ihrer Bedeutung für Konflikte in der Region wie den Syrien-Krieg und für das Verhältnis zur EU und Deutschland.

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