Kabinettsklausur:Regierung einigt sich auf Wirtschaftspaket

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Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) war guter Dinge nach der Kabinettsklausur in Schloss Meseberg, links Bundesfinanzminister Christian Lindner, rechts Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Das Kabinett beschließt auf Schloss Meseberg Entlastungen in Milliardenhöhe, der Streit um den Industriestrompreis wird nicht beigelegt. Kanzler Scholz verspricht, dass die Ampel künftig "geräuschloser" arbeitet.

Von Robert Roßmann, Berlin

Die Ampelkoalition will die ständigen Querelen hinter sich lassen und künftig besser zusammenarbeiten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte nach einer Kabinettsklausur in Schloss Meseberg, seine Regierung sei in den vergangenen Wochen zwar produktiv gewesen und habe viele Beschlüsse auf den Weg gebracht. Man habe sich jedoch vorgenommen, künftig "geräuschloser" zu arbeiten. Man werde weiter "hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfer". Zuvor hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Dissonanzen in der Koalition mit dem Satz begründet: "Wir sind eine Regierung, wo gehämmert, geschraubt wird." Das führe "zu Geräuschen", aber es komme "eben auch was raus".

Zuletzt hatte es in der Regierung Streit über die Kindergrundsicherung gegeben, auch um das Heizungsgesetz war erbittert gerungen worden. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa liegt der Zuwachs der AfD in den Umfragen zu einem erheblichen Teil am Unmut über die Bundesregierung. "Aus Zweifel entsteht Angst und aus Angst Angstmacherei - und dann grassiert der Populismus", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Den Streit über den Industriestrompreis konnte die Regierung auch bei ihrer Klausur nicht beilegen - Habeck plädiert für einen staatlich subventionierten Preis, Lindner lehnt ihn ab, der Bundeskanzler vermied auch in Meseberg eine Festlegung. Dafür konnte sich das Kabinett auf eine erstaunlich große Zahl anderer Vorhaben verständigen.

Das Gesetz zum Bürokratieabbau soll Firmen und Bürger entlasten

Die Regierung billigte das zuvor von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) aufgehaltene Wachstumschancengesetz. Es sieht Entlastungen für die Wirtschaft in Milliardenhöhe vor. Teil des Gesetzes sind unter anderem neue Abschreibungsregeln für Wohngebäude, die die Baukonjunktur ankurbeln sollen. Außerdem sollen Unternehmen Verluste steuerlich umfangreicher verrechnen können. Und es ist eine Prämie für Investitionen in den Klimaschutz vorgesehen.

Das Kabinett beschloss außerdem Eckpunkte für ein Gesetz zum Bürokratieabbau. Damit sollen Firmen und Bürger von unnötigen Regeln befreit werden. Unter anderem sollen die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Hotels sollen künftig nicht mehr für jeden einzelnen Gast einen Meldeschein ausfüllen müssen. "Viele Betriebe in Deutschland leiden unter einem bürokratischen Burn-out", sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP) bei der Vorstellung des Plans. Die jetzt vorgesehenen Änderungen brächten eine Entlastung in Höhe von 2,3 Milliarden Euro jährlich.

Das Kabinett billigte in Meseberg außerdem Entwürfe für ein "Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens" und für ein "Gesundheitsdatennutzungsgesetz". Die Regierung will, dass sich elektronische Rezepte und digitale Patientenakten endlich durchsetzen. E-Rezepte sollen jetzt bis Anfang 2024 zum Standard und für die Praxen verpflichtend werden. Anfang 2025 sollen dann alle gesetzlich Versicherten elektronische Patientenakten bekommen. Dabei gilt die Widerspruchslösung: Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, erhält eine solche Akte. Damit soll der Zugriff auf Röntgenbilder, Arztbriefe, Medikationspläne, Impfausweise und Ähnliches erleichtert werden. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht davon aus, dass mehr als 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die E-Akte nutzen werden. Das Kabinett hat sich in Meseberg außerdem dafür entschieden, die Nutzung kombinierter Gesundheitsdaten in der Forschung zu erleichtern.

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Die Bundesregierung spricht sich zudem für die Einstufung von Georgien und Moldau als "sichere Herkunftsstaaten" aus. Dadurch sollen Asylverfahren von Georgiern und Moldauern beschleunigt werden. Abgelehnte Asylbewerber aus diesen beiden Staaten könnten dann auch leichter abgeschoben werden. In Georgien und Moldau drohe "Menschen in aller Regel keine politische Verfolgung", sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Derzeit komme "mehr als jeder zehnte abgelehnte Asylantrag" aus den beiden Ländern. "Hier können wir also sehr schnell irreguläre Migration wirksam reduzieren."

Die Vorhaben der Bundesregierung müssen jetzt noch vom Bundestag beschlossen werden. Einige - wie das Wachstumschancengesetz oder die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten - müssen auch vom Bundesrat gebilligt werden. Dabei dürfte es erhebliche Schwierigkeiten geben. Der Union gehen viele Beschlüsse der Bundesregierung nicht weit genug. CDU und CSU sind an neun der 16 Landesregierungen beteiligt. Diese neun Länder kommen im Bundesrat auf 43 der 69 Stimmen. Beim Wachstumschancengesetz gibt es aber auch Widerstand aus dem linken Lager. Das rot-rot-grün regierte Bremen hat bereits angekündigt, dem Gesetz in seiner jetzigen Form nicht zuzustimmen.

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