Bundestag:"Von Kahlschlag kann keine Rede sein"

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Der Entwurf des Haushalts von Finanzminister Lindner ist auch in der Koalition umstritten. (Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP)

Finanzminister Lindner bringt seinen Haushaltsentwurf in den Bundestag ein. Vom kommenden Jahr an soll die Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Er wehrt sich gegen Vorwürfe, das Land werde "kaputtgespart".

Von Ida Morganti und Leopold Zaak

Finanzminister Christian Lindner verteidigt die Rückkehr der Ampelkoalition zur Schuldenbremse vom Jahr 2024 an. Nach Jahren der krisenbedingten Sonderausgaben wolle man den Haushalt nun konsolidieren, sagte Lindner im Bundestag. "Wer den Ausstieg aus der Krisenpolitik nicht findet, gefährdet dauerhaft die Stabilität des Gemeinwesens." Zur Eröffnung der Haushaltswoche im Bundestag brachte er seinen Entwurf von 445,7 Milliarden Euro ein. Das sind etwa 30 Milliarden weniger als im Vorjahr - aber auch 60 Milliarden mehr, als es die mittelfristige Finanzplanung im Jahr 2020 vorgesehen hatte.

In den Vorjahren hatte der Staat aufgrund der Corona-Pandemie, der Energiekrise und des Kriegs in der Ukraine viele krisenbedingte Ausgaben getätigt. Das sei wichtig gewesen, betonte Lindner, nun müsse man sich aber "neu fokussieren". Ab sofort wolle er die Neuverschuldung deutlich senken - von 45,6 Milliarden Euro für das laufende Jahr auf 16,6 Milliarden Euro für 2024. Das sei wichtig, gerade für die junge Generation, sagte Lindner. "Vererbt der arme Onkel Schulden, kann man das Erbe ausschlagen, beim Bundeshaushalt kann man das nicht."

Den Vorwurf, mit der Rückkehr zur Schuldenbremse würde er das Land "kaputtsparen", möchte Lindner nicht gelten lassen. Mit Verweis auf das Volumen des Haushaltes sagte er: "Von einem Kahlschlag kann keinesfalls die Rede sein." Die Gesamtausgaben lägen noch rund ein Viertel über dem Niveau von 2019. Nach Jahren "massiver Staatsintervention" müsse es wieder eine vernünftige Balance geben zwischen Staats- und Privatausgaben.

Der Kurswechsel sorgt für Kritik - auch in der eigenen Koalition

Im kommenden Jahr seien laut Lindner 37 Milliarden für Zinsausgaben vorgesehen. Das sei eine Verzehnfachung im Vergleich zu 2021. Die Zinskosten seien mittlerweile doppelt so hoch wie der Etat der Bildungs- und Forschungsministerin. "Wir können uns uferlos neue Schulden schlicht nicht erlauben", sagte Lindner.

Kritik aus Opposition, Wirtschaft und Sozialverbänden sei Lindner bewusst, es sei jedoch nicht alles finanzierbar "wie man sich das wünscht". Er sagte: "Die erste Priorität ist die Bekämpfung der Inflation." Daran führe kein Weg vorbei, wenn man soziale und ökologische Projekte vorantreiben wolle.

Aus der Union kommt Kritik. Die Ampel müsse "radikal das Ruder rumreißen Richtung Wachstum", sagte Vizefraktionschef Mathias Middelberg. Bei der Konsolidierung gebe es für den Finanzminister nicht genügend Unterstützung von SPD und Grünen. "Man hat fast den Eindruck, Christian allein zu Haus, das sage ich Ihnen ganz offen", sagte Middelberg.

Zwischen den Koalitionären der Ampel gibt es in der Tat viele Konfliktlinien, die man auch an den Reaktionen auf den unfertigen Entwurf ablesen kann: Haushälter der Grünen kündigen an, in dem Plan noch nach Spielraum für Soziales zu suchen. Viel Platz dafür ist allerdings nicht - allein Ausgaben für Soziales, Personal sowie Zins- und Tilgungskosten machen zwei Drittel im Haushalt aus.

Ein Vorwurf der Partei lautet trotzdem, Lindner finde stets Möglichkeiten, Steuerentlastungen zu finanzieren, für grüne Projekte wie die Kindergrundsicherung sei aber deutlich weniger Geld verfügbar. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte zunächst zwischen sieben und zwölf Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt, vergangene Woche einigte sie sich mit Lindner nach langem Streit auf 2,4 Milliarden Euro von 2025 an.

Die CDU wirft Lindner vor, die Schuldenbremse "nicht zu leben"

Aber auch Lindners eigene Partei sieht an dem Entwurf noch Raum für Nachbesserungen. FDP-Haushälter Otto Fricke kündigte an, bei der Anhebung des Bürgergelds genau hinschauen zu wollen.

Ebenso umstritten sind zwei Schattenhaushalte, mit denen die Bundesregierung Investitionen tätigt: der Klima- und Transformationsfonds (KTF) und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Beide Töpfe sind schuldenfinanziert und mit 400 Milliarden Euro ähnlich schwer wie der reguläre Bundeshaushalt. Kritik daran kommt auch vom Bundesrechnungshof. Die Bundesregierung, so der Vorwurf, verschleiere damit die tatsächliche Verschuldung.

Die Union schließt sich dem Bundesrechnungshof in dieser Sache an. Die wirkliche Neuverschuldung sei fünf Mal höher als im Haushaltsentwurf angegeben. "Das ist einfach zu viel", kritisierte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, Helge Braun (CDU). "Christian Lindner sagt immer die richtigen Worte zur Schuldenbremse, aber lebt sie nicht."

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