Krieg in Israel:Israel trifft Vorbereitungen für eine Bodenoffensive

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Israelische Streitkräfte patrouillierten am Dienstag in Gebieten entlang der Grenze zwischen Israel und Gaza. (Foto: Ilia Yefimovich/dpa)

Grenzorte zum Gazastreifen werden evakuiert und Reservisten aus dem Ausland zurückgeholt. Auf der anderen Seite der Grenze suchen mehr als 100 000 Palästinenser Schutz in Schulen der Vereinten Nationen. Premierminister Netanjahu bemüht sich um eine Notstandsregierung.

Von Sina-Maria Schweikle, München

Es mehren sich die Anzeichen, dass sich die israelischen Streitkräfte auf eine Bodenoffensive vorbereiten. Israel hat die Abriegelung des Gazastreifens angeordnet und Grenzorte am Rande des Palästinensergebiets fast vollständig evakuiert. Die israelische Luftwaffe hat am Dienstag auf der Nachrichtenplattform X veröffentlicht, dass Transportflugzeuge nach Europa geschickt wurden, um "Hunderte von Soldaten" nach Israel zu fliegen, damit sie als Militärreservisten an den Kämpfen teilnehmen können. Bisher wurden bereits 300 000 Reservisten in Israel mobilisiert.

Am Montagabend wurde die israelische Bevölkerung vom Militär angewiesen, sich mit ausreichend Nahrung, Wasser und Medikamenten einzudecken. Die Vorräte sollten ausreichen, um mindestens 72 Stunden lang in einem Schutzraum ausharren zu können. Auch andere Ausrüstung für Notsituationen sollen sich die Bürger beschaffen und überprüfen, wo sich der nächstgelegene Luftschutzbunker befindet, hieß es weiter.

(Foto: SZ-Karte; Mapcreator.io/OSM.org)

Unterdessen bricht der Beschuss der Hamas nicht ab. Auch am Dienstag ertönte in vielen Orten Israels erneut Raketenalarm. Mittlerweile sei jedoch die Situation an der Grenze zum Gazastreifen wieder unter Kontrolle gebracht, sagt der israelische Armeesprecher Richard Hecht am Dienstag. Von dort sei seit Montag kein Terrorist mehr nach Israel eingedrungen. Trotzdem bestehe die Möglichkeit, dass weitere Kämpfer der Hamas nach Israel eindringen oder sich noch in Israel aufhalten, so Hecht.

Netanjahu arbeitet an einer Notstandsregierung

Aufgrund der Ereignisse arbeitet der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu an der Bildung einer Notstandregierung. Am Dienstagmittag gab seine Likud-Partei bekannt, dass alle Koalitionsspitzen die Bildung einer Notstandsregierung der nationalen Einheit unterstützten. Am Samstag hatte Netanjahu den beiden Oppositionsführern Jair Lapid und Benny Gantz den Eintritt in eine Notstandsregierung angeboten. "Wir befinden uns in einem Einsatz für die Heimat, einem Krieg zur Sicherung unserer Existenz, einem Krieg, den wir gewinnen werden", sagte der israelische Premierminister bei einer Ansprache im Fernsehen. Die Spaltungen unter den Israelis seien beendet, sagte Netanjahu.

Seit Jahresbeginn war es in Israel zu massiven Protesten gegen die rechts-religiöse Regierung gekommen, die einen Umbau des Justizwesens vorantreibt. Die daraus resultierte Spaltung der Gesellschaft führte so weit, dass zahlreiche Reservisten der israelischen Armee drohten, ihren Dienst zu verweigern, weil sie sich für eine solche Politik nicht hergeben wollten.

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Die Terrororganisation Hamas hat ihre Anhänger nach israelischen Angaben für diesen Freitag zu Protesten aufgerufen. Die Regierung fürchtet weltweit Angriffe auf Israelis und Juden. Die Knesset billigt das Kriegskabinett.

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Die von den USA, Israel und Deutschland als Terrororganisation eingestufte Hamas hat Israel am Samstag überfallen. In den frühen Morgenstunden drangen bewaffnete Hamas-Mitglieder aus dem Gazastreifen über Land, Luft und Meer auf israelisches Gebiet vor. Die Terroristen haben seitdem mehr als 900 Menschen getötet und Tausende verletzt. Sie entführten mehr als 100 Personen und verschleppten sie in den Gazastreifen. Ein Sprecher der Hamas drohte an, für jeden von Israel ausgeführten Angriff eine zivile Geisel hinzurichten. Die Hamas hatte zuvor einen Gefangenenaustausch gefordert und die Freilassung von 36 in Israel inhaftierten Palästinenserinnen für die Übergabe von älteren entführten Israelinnen verlangt.

Unter den Getöteten sind nach Angaben des Weißen Hauses mindestens 14 US-Amerikaner. Wie viele Deutsche getötet oder als Geiseln genommen wurden, teilt das Auswärtige Amt bisher nicht mit. Bekannt wurde, dass die Lufthansa am Donnerstag und Freitag Evakuierungsflüge für Deutsche durchführen wird.

UN-Generalsekretär Guterres ist besorgt über die Blockade des Gazastreifens

Bei den israelischen Gegenangriffen auf den Gazastreifen kamen nach palästinensischen Angaben mindestens 900 Menschen ums Leben. Zudem bestätigte ein Sprecher der israelischen Armee, dass sich in Israel die Leichen von etwa 1500 Terroristen befänden. Hunderte weitere palästinensische Angreifer wurden demnach gefangen genommen.

innerhalb des Gazastreifens sind nach UN-Angaben 190 000 Menschen auf der Flucht. 137 000 davon suchten demnach in etwa 80 Schulen des UN-Hilfswerks für die Palästinenser (UNRWA) Zuflucht. Die Bewohner des Gazastreifens können das Gebiet selbst nicht verlassen. Der schmale Küstenstreifen am Mittelmeer grenzt an Israel und an Ägypten, das seinen einzigen Grenzübergang geschlossen hat. UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich besorgt über die israelische Blockade des Gazastreifens. Medizinische Güter, Nahrung, Treibstoff und andere humanitäre Hilfsgüter würden dringend benötigt, sagte er.

Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hat auf der Plattform X bekannt gegeben, dass er Tausende Freiwillige mit Sturmgewehren ausstatten möchte. Er habe den Kauf von mehr als 10 000 Waffen angeordnet, teilte Ben-Gvir am Dienstag mit. 4000 Sturmgewehre sollen sofort an Freiwillige verteilt werden, die in Ortschaften in der Nähe des Gazastreifens sowie des Westjordanlandes und in Städten mit jüdischer und muslimischer Bevölkerung leben.

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Unterdessen wächst die Sorge vor einer regionalen Ausweitung des Konflikts. Die Spannungen an der Grenze zwischen Israel und Libanon nehmen zu. In Israel wurde am Montag eine israelische Militärstellung mit Mörsern beschossen, und eine Gruppe von vier bewaffneten Männern drang in israelisches Gebiet ein. Zwei der Eindringlinge wurden getötet, während die beiden anderen nach Libanon flohen. Als Vergeltung flog das israelische Militär einen Lufteinsatz über Stellungen in Südlibanon und tötete dabei Berichten zufolge drei Hisbollah-Mitarbeiter. Die dem Iran nahestehende Schiitenmiliz dementierte eine Beteiligung an dem Vorfall in der Grenzregion.

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