Wahl in Polen:Offenbar Machtwechsel in Polen möglich

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"Polen hat gewonnen! Die Demokratie hat gewonnen", rief Oppositionsführer Donald Tusk am Abend auf der Wahlparty seiner Partei im Zentrum Warschaus. (Foto: Janek Skarzynski/AFP)

In ersten Nachwahlbefragungen liegt die rechtsnationale Regierungspartei vorn, hat aber weniger Stimmen als die Opposition. Die ruft sich schon zum Sieger aus.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Nach der Parlamentswahl in Polen liegt ersten Nachwahlbefragungen zufolge die regierende PiS-Partei vorn, verfehlt aber die absolute Mehrheit, die sie bisher hatte. Die Opposition hingegen kommt rechnerisch gemeinsam auf eine Mehrheit - und hätte damit klar die Wahl gewonnen. Aus Sicht von Oppositionsführer Donald Tusk hat sie das bereits: "Polen hat gewonnen! Die Demokratie hat gewonnen", rief er am Abend auf der Wahlparty seiner Partei im Zentrum Warschaus.

Laut den sogenannten Exit Polls kommt die rechtsnationale PiS-Partei auf 36,8 Prozent, vor vier Jahren hatte sie noch 43,6 Prozent erreicht. Die PiS regiert seit 2015. Die Koalicja Obywatelska (Bürgerkoalition) von Donald Tusk, die auch die Grünen und die Bauernpartei Agrounia umfasst, käme laut den Exit Polls auf 31,6 Prozent und hätte sich im Vergleich zu 2019 verbessert. Damit hätte sie 163 Mandate und könnte gemeinsam mit dem Mitte-rechts-Bündnis Dritter Weg und der Linkspartei Nowa Lewica eine Mehrheitsregierung mit insgesamt 248 von 460 Sitzen im Unterhaus Sejm bilden.

Mit 6,2 Prozent würde laut der Wählerbefragung auch die rechtsextreme Partei Konfederacja wieder in den Sejm kommen, allerdings mit einem schlechteren Ergebnis als in Umfragen erwartet. Seit Monaten hatte sich in allen Umfragen abgezeichnet, dass PiS erneut die meisten Wählerstimmen erhalten würde - aber zukünftig auf einen Koalitionspartner angewiesen wäre. Dafür käme nur die Konfederacja infrage, obwohl beide Parteien das vor der Wahl ablehnten. Doch geht die Wahl so aus, wie es die Exit Polls vermuten lassen, dann würde es für die beiden nicht reichen. Sie kämen zusammen nur auf 212 Sitze.

Ob die Linke und der Dritte Weg ins Parlament einziehen, war im Vorfeld unsicher

In Polen gibt es nach den Wahlen keine Hochrechnungen, die Bürgerinnen und Bürger können nur den Stand der Auszählungen verfolgen. Da zuerst kleinere, ländliche Wahlkreise gemeldet werden, ist es wahrscheinlich, dass zunächst die PiS, die besonders auf dem Land und in kleineren Städten Wähler hat, lange Zeit vorn liegt. In Städten wird eher die Opposition gewählt.

Daher werden nach der Schließung der Wahllokale zunächst sogenannte Exit Polls, also Nachwahlbefragungen, veröffentlicht. Diese galten in den vergangenen Jahren als recht zuverlässig. Bei den Wahlen in der Slowakei vor zwei Wochen lagen sie jedoch völlig daneben. Dort hatten sich besonders die Leute, die sich für den Wahlsieger entschieden hatten, in Umfragen nicht dazu bekennen wollen.

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Grundsätzlich erhält die Partei mit den meisten Wählerstimmen von Präsident Andrzej Duda den Auftrag zur Regierungsbildung. In Polen werden die Wahlen nach dem D'Hondt-Verfahren ausgezählt. Da Stimmen für Parteien, die es nicht ins Parlament schaffen, den anderen zugeteilt werden, nützt das Verfahren vor allem der stärksten Partei. Daher wurde es als besonders wichtig angesehen, dass neben der größten Oppositionspartei Bürgerkoalition (KO) auch die kleineren Parteien Linke und Dritter Weg in den Sejm einziehen. Mit fast neun Prozent für die Linke und 13 für Dritter Weg haben beide dieses Ziel deutlich erreicht - die drei Parteien hatten bereits vor der Wahl erklärt, zusammenarbeiten zu wollen.

Im Senat hatte zuletzt die Opposition eine Mehrheit, es wurde erwartet, dass sie ihre Mehrheit halten kann. Zudem waren die polnischen Wählerinnen und Wähler am Sonntag zu einem Referendum aufgerufen. Darin ging es unter anderem um das Renteneintrittsalter und die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU.

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