Asylpolitik:Am Ende einer langen Nacht

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"Atmendes System": Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte) und die Ministerpräsidenten Stephan Weil (ebenfalls SPD, links) und Boris Rhein (CDU) erläuterten am frühen Dienstagmorgen die Beschlüsse des Bund-Länder-Treffens. (Foto: IMAGO/Political-Moments)

Asylverfahren, Leistungen für Geflüchtete und der Streit ums Geld: Was Bund und Länder beschlossen haben.

Von Philipp Saul

Es war mal wieder ein langer Tag in Berlin. Fast 17 Stunden haben die Ministerpräsidenten der Bundesländer zunächst untereinander, dann mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) verhandelt. Bis 2.30 Uhr rangen sie um Kompromisse über die sogenannte Planungsbeschleunigung, also darüber, wie die komplizierten Planungsverfahren verkürzt werden können, über das Deutschlandticket und dessen Finanzierung, vor allem aber ging es um die Migration. Die wichtigsten Beschlüsse dazu im Überblick.

Seit Anfang 2022 sind etwa 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen, und jeden Tag reisen auf illegalem Weg etwa 1000 weitere ins Land. Scholz und die Ministerpräsidenten möchten die "irreguläre Migration" zurückdrängen und Asylverfahren beschleunigen. Das soll die Kommunen entlasten, aber auch der AfD Wind aus den Segeln nehmen.

Der größte Streitpunkt in den Verhandlungen war das Geld. Die Länder und Kommunen hatten eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten verlangt und zusätzlich zu den für 2024 bereits zugesagten 1,25 Milliarden Euro noch eine jährliche Pro-Kopf-Pauschale von 10 500 Euro verlangt. Mit Scholz einigten sie sich auf 7500 Euro. Dieses "atmende System" bedeutet für die Länder nach Worten des Bundeskanzlers: "Mit steigenden Zahlen gibt's mehr Geld, mit sinkenden weniger."

Kosten sparen und gleichzeitig mögliche Anreize senken wollen Bund und Länder mit Kürzungen bei Leistungen für Asylbewerber. Sie sollen künftig nicht mehr nach 18, sondern erst nach 36 Monaten sogenannte Analog-Leistungen erhalten, die in der Höhe dem Bürgergeld entsprechen. Vorher bekommen sie oft Sachleistungen. Zudem sollen Flüchtlinge in Asylunterkünften weniger erhalten. Die Pro-Kopf-Pauschale und die Anpassungen bei den Leistungen sollen laut Beschlusspapier im kommenden Jahr zu einer Entlastung bei Ländern und Kommunen von rund 3,5 Milliarden Euro führen - basierend auf den Migrationszahlen dieses Jahres.

Im Bundeskanzleramt verhandelten Regierungschef Scholz und die Ministerpräsidenten vom frühen Abend bis tief in die Nacht. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Anreize senken wollen Bund und Länder auch, indem sie Barauszahlungen an Leistungsempfänger einschränken und dafür eine Bezahlkarte einführen. So soll vermieden werden, dass Migranten Geld in ihre Heimatländer schicken.

Scholz und die Ministerpräsidenten vereinbarten außerdem, dass die Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz, die eigentlich Mitte November auslaufen, beibehalten werden, um Schleuserkriminalität zu bekämpfen.

Eine Überraschung gibt es bei der Frage nach Asylverfahren außerhalb der Europäischen Union. Diese hatte Kanzler Scholz in den vergangenen Tagen skeptisch gesehen, gab seine Zurückhaltung während des Gipfels aber offenbar auf. Die Bundesregierung will nun prüfen, ob der Schutzstatus von Geflüchteten künftig auch in Transit- oder Drittstaaten festgestellt werden kann. Dabei sollen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention geachtet werden. Welche Länder dafür infrage kommen, ist noch unklar. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP bereits vereinbart, ein solches Vorgehen "in Ausnahmefällen" zu prüfen. Diese Prüfung läuft noch.

Generell wollen Bund und Länder bei Asylverfahren schneller werden: Kommen Geflüchtete aus Staaten mit einer niedrigen Anerkennungsquote von unter fünf Prozent, strebt die Runde an, Asyl- und anschließende Gerichtsverfahren innerhalb von jeweils drei Monaten abzuschließen. Kommen die Menschen aus anderen Staaten, soll es nicht länger als je sechs Monate dauern. Das wäre um einiges schneller als bislang. In manchen Bundesländern liegt die tatsächliche Verfahrensdauer derzeit bei etwa drei Jahren.

Der Familiennachzug wird nicht ausgeweitet, wie es die Ampel laut Koalitionsvertrag eigentlich tun wollte. Von Einschränkungen, wie es die Länder gefordert hatten, ist im Beschlusspapier allerdings nicht die Rede.

Diejenigen, die schon hier sind und eine rechtlich gesicherte Bleibeperspektive haben, wollen Bund und Länder zügiger in Arbeit bringen. Das sehen sie als besten Weg "für mehr Akzeptanz und schnellere Integration" und verweisen auch auf den Arbeitskräftemangel in Deutschland.

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