Asylpolitik:Scholz nennt Einigung "historischen Moment"

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Übernächtigt, aber auch erleichtert: Olaf Scholz mit den Ministerpräsidenten Boris Rhein (links) und Stephan Weil (rechts). (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Bund und Länder beschließen Reformen zum Bürokratieabbau und zur Begrenzung der Migration. Während der Kanzler die überparteiliche Kooperation lobt, will sie CDU-Chef Merz nicht fortsetzen.

Von Nicolas Richter, Berlin

"Ich will nicht zu große Worte ergreifen", sagte der Kanzler und tat es dann doch: "Ich glaube, dass das hier ein sehr historischer Moment ist, in dem wir uns hier befinden." Olaf Scholz, eingerahmt von den Ministerpräsidenten Hessens und Niedersachsens, spielte damit nach dem Ende des Bund-Länder-Gipfels im Kanzleramt auf den Umstand an, dass angesichts großer Herausforderungen "alle Ebenen dieses Staates eng zusammenarbeiten". Dies erwarteten die Bürgerinnen und Bürger und nun hätten sie den Beweis, dass dieses Bündnis gegen große Probleme auch funktioniere. "Eine gute Nachricht früh am Morgen", sagte am Dienstag noch vor Morgengrauen der sichtlich übernächtigte, aber auch erleichterte Kanzler.

Mit diesen Worten ging es Scholz nicht nur darum, erfolgreiches staatliches Handeln im Allgemeinen zu loben, sondern natürlich auch das Handeln von Olaf Scholz im Besonderen. Denn Scholz sieht sich als Vater der Idee, den schwierigen Zeiten mit einer überparteilichen Koalition zu begegnen. Im September hat er im Bundestag einen "Deutschlandpakt" angeboten. Das war zum Ende einer Sommerpause, in der viel über den möglichen Abstieg der Industrienation Deutschland diskutiert worden war. Scholz versuchte damals, die Kontrolle zurückzugewinnen, indem er ein Bündnis zwischen Bund, Ländern und Opposition anregte. Beim Bund-Länder-Gipfel Anfang dieser Woche wurden nun zwei Kompromisspakete geschnürt, eines zum Bürokratieabbau und eines zur Migration. Ob und wie sie wirken, ist unklar; die Debatte darüber, was noch notwendig sein könnte, hat indes schon begonnen.

Am übersichtlichsten ist die Lage bei der sogenannten Planungsbeschleunigung. Sie ist der Kern dessen, was Scholz mit dem Deutschlandpakt anstrebt - im Bundestag sagte er: "Nur gemeinsam werden wir den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit abschütteln." Zum Zeitpunkt dieser Rede tauschten Bund und Länder allerdings schon seit Monaten Vorschläge aus, um bürokratische Prozesse zu vereinfachen.

Nun haben sich beide Seiten tatsächlich auf Reformen geeinigt, diese sollen zum Beispiel zum schnelleren Bau von Windrädern, Stromtrassen oder Wohnungen führen. Hundert Maßnahmen habe man vereinbart, sagte Scholz am Dienstag. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein nannte die Maßnahmen "granular", sie würden aber "eine ordentliche Wirkung entfalten". Im Granularen liegt tatsächlich das Neue: Anders als früher, als sich Bund und Länder stets gegenseitig für den Stillstand verantwortlich machten, haben sich Experten beider Seiten diesmal die kleinteiligsten Gesetze und Verordnungen angesehen und auszusortieren versucht, was bremst, ohne etwas zu bringen. Ein Erfolg also, wobei CDU-Chef Friedrich Merz anmerkt, das Lob gebühre eher den Ländern als dem Kanzler.

Asylverfahren in Drittstaaten? Scholz hält davon wenig

Politisch komplizierter wird es bei der Migration - oder eher beim überparteilichen Versuch, diese einzudämmen. Im Beschluss von Bund und Ländern steht vieles, was die Bundesregierung bereits veranlasst hat: die Reform des EU-Asylrechts, Kontrollen an den deutschen Außengrenzen, schärfere Regeln für Abschiebungen. Ferner wollen Bund und Länder die finanziellen Anreize senken, indem sie Flüchtlingen kein Bargeld, sondern nur noch eine Bezahlkarte zur Verfügung stellen. So können Asylsuchende kein Geld mehr in die Heimat überweisen.

Der Streit ist damit aber nicht zu Ende. Noch beim Bund-Länder-Gipfel setzten die Unionsländer die Forderung durch, über Asylverfahren in Drittstaaten nachzudenken, um damit etliche Asylsuchende aus der EU zu entfernen. Scholz hat zugesagt, dies von Experten prüfen zu lassen - er verheimlicht aber nicht, dass er von der Idee schon deswegen nichts hält, weil kaum ein Land Interesse daran haben dürfte, der EU die Asylsuchenden abzunehmen. Kaum war der Bund-Länder-Gipfel vorbei, kündigte CDU-Chef Merz die angedachte Kooperation seiner Partei mit der Bundesregierung beim Thema Migration wieder auf. Der Kanzler sei nicht bereit, das Gespräch mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion substanziell fortzusetzen. "Damit ist das Thema Deutschland-Pakt zu Migration erledigt", sagte Merz. Schon zuvor hatte sein Generalsekretär Carsten Linnemann gesagt, die beschlossenen Maßnahmen reichten bei Weitem nicht aus, um die irreguläre Migration einzudämmen.

Scholz war es vor allem wichtig, dass vom Bund-Länder-Treffen kein Zeichen der Zerstrittenheit oder Zerrissenheit ausging. Aus seiner Sicht müssen Bund, Länder und die demokratischen Parteien gerade jetzt beweisen, dass sie handlungsfähig sind. Aber auch darin liegt ein Risiko: Sollten die Flüchtlingszahlen im kommenden Jahr nicht sinken, dürften etliche Bürgerinnen und Bürger erst recht der Meinung sein, dass es "die etablierten Parteien" oder "die Politik" nicht können. Und das könnte vor allem jene Partei stärken, die genau das immer behauptet - die AfD.

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