Selbstversuch Weltjugendtag:Um Gottes Willen

"Erleuchte alle, die über den Weltjugendtag berichten werden!", hat Kardinal Meisner den Journalisten zugerufen. Nun ist das Mega-Event rum - und? Bin ich heller? Eine Beichte von Eike Schrimm.

Sechs katholische Weltjugendtage liegen hinter mir. Und in der Tat bin ich ein bisschen klüger:

Ich weiß, dass in einem Holzofen gleichzeitig nur drei Pizzen gebacken werden können und ich deshalb eine Stunde warten muss, wenn ich eine zum Mitnehmen will.

Ich weiß, dass Kölnerinnen wildfremde Frauen - die vor ihrer Haustür sitzen, hektisch telefonieren und noch hektischer versuchen, von dort aus abdruckreife Texte zu produzieren - auf einen Kaffee einladen, aber vom Papst nichts wissen wollen.

Ich weiß, dass man Katechese mit einem ch wie in Kirche und nicht mit einem ch wie in Kuchen ausspricht.

Ich weiß, dass die Organisatoren des Weltjugendtages im Pressezentrum offiziell einige Internetseiten gesperrt haben wie zum Beispiel die Seiten der ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche www.huk.org und auch die Seite des Jugendmagazins neon. Eine Panne, wie der Pressesprecher des WJT, Matthias Kopp erklärt. Es sei eine Software benutzt worden, "die über einen Begriffe- und Adressenpool gewisse Seiten sperrt." Die Ausschlusskriterien seien allerdings zu eng gefasst gewesen, und dieser Mangel sei nun behoben. Anschließend konnten Journalisten freier surfen.

Und ich weiß auch, dass Alice Schwarzer als Leitfigur der Emanzipation viele, viele Sorgenfalten im Gesicht hat, wenn sie den massenhaften jungen Pilgerscharen hinterher schaut.

Irgendwie verständlich, denn der alte wie der neue Papst predigen konservativste Leitlinien. Keine Kondome, keine Pille, keine Abtreibung, Sexualität, nur um sich fortzupflanzen, und natürlich auch nur zwischen Eheleuten - versteht sich von selbst. Schwulen oder Lesben wird das Leben dann noch einmal schwerer gemacht. In katholischen Augen stehen ihnen keine oder kaum Rechte zu.

Aber genau das sind die Punkte, die viele Teilnehmer des Weltjugendtages auch als bedrückend empfinden. "Da bin ich nicht seiner Meinung" oder "Da müsste die Kirche unbedingt moderner werden" lauten meistens die Wünsche der Jugendlichen. Sie engagieren sich in ihrer Gemeinde, sagen sie.

Als Protestantin habe ich zum ersten Mal an einer Katechese teilgenommen und war sehr überrascht über die Ansichten der Jugendlichen. Ach so, eine Katechese ist eine Art Unterricht in die theoretische und praktische Einführung in den christlichen Glauben. Der Geistliche stellt Fragen, die Gemeindemitglieder antworten. Einzeln. Freiwillig. Die Schaupielerin Cäcilie erzählt zum Beispiel, dass sie sich in ihrem Beruf nicht mehr wohl fühle, sie wolle etwas bewirken. Sie hat bei ihrem Priester Rat gesucht. Aber mit seiner Antwort "Versuche, Salz der Erde zu werden" könne sie nichts anfangen. "Wir müssen unser Herz für Christus öffnen", sagt dann der Bischof.

Maria bestätigt die Erfahrungen von Cäcilie: "Ich bin umgezogen. In meiner neuen Gemeinde fühle ich mich als junger Mensch nicht angesprochen. Zum Glück kann ich Klavier spielen und habe eine Band und einen Chor gegründet. Jetzt fühle ich mich wohl."

Aber ich höre auch Standpunkte, bei denen mir der Mund offen stehen blieb: Eine Geschichts-Studentin wundere sich, wie unterschiedlich Historiker Geschichtsereignisse erklären. Für sie gilt: "Jesus hat gesagt: Ich bin die Wahrheit, das Leben!"

Andererseits gibt es auch genügend jugendliche Pilger, bei denen die Bibel bestimmt nicht überstrapaziert wird: Zusammen mit 15.000 Jugendlichen habe ich die medienwirksame Fluss-Ankunft des Papstes im Kölner Fußballstadion verfolgt. Nein, verfolgt ist das falsche Wort. Die Übertragung war so schlecht, dass die meisten von uns ausgestiegen sind: Ich habe Zeitung gelesen, die Kanadierin vor mir hat geschlafen, unten im Stadion haben sie Fußball gespielt. Selbst als der Papst seinen "Urbi et Orbi" gespendet hat, haben die aller-,aller-, aller- wenigsten von uns stehend inne gehalten. Auch seine Begrüßungsworte vorher sind untergegangen, lag wohl - wie schon gesagt - an der miserablen Übertragung.

Und trotzdem kann die katholische Kirche sehr stolz sein auf ihre Jugend: Klar, die jungen Menschen sind gekommen, um zu feiern. Aber dafür brauchen sie keinen Alkohol, keinen Robbie Williams. Selbst die Kölner Verkehrsbetriebe waren begeistert: "Wir verabschieden uns von den Teilnehmern des Weltjugendtags. Ihr wart sehr sympathische Fahrgäste und wir bedauern, dass wir nicht immer pünktlich waren."

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