Spiegel-Portal "Bento":Mal verrückt sein

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Damit die Werbekunden auch fleißig weiter Geld überweisen, setzt der Spiegel mit seinem Jugendportal "Bento" auf die 18- bis 30-Jährigen.

(Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Nach der "Zeit" versucht sich mit "Bento" nun auch der "Spiegel" an einem Online-Jugendangebot. Um die Zielgruppe zu erreichen, darf hemmungslos experimentiert werden.

Von Karoline Meta Beisel

Unter einem Dach, aber sicherheitshalber hinter einer dicken Tür versteckt, arbeiten die Neuen. Nun ja, nicht ganz, die unscheinbare Feuerschutztür war immer schon da, im Hamburger Spiegel-Haus, gleich neben dem Tresen des Sicherheitsdienstes im Erdgeschoss. Früher verbarg sich hinter dieser Tür die Verwaltung. Trotzdem kann, wer will, in die bauliche Trennung etwas hineinlesen. Nämlich dass die einen vor den anderen geschützt werden sollen. Fragt sich nur, wer vor wem.

An diesem Donnerstag ging Bento an den Start, ein Ableger von Spiegel Online für Leser zwischen 18 und 30 Jahren. Redaktionsleiter Ole Reißmann, der mit 14 Kollegen hinter der Feuertür arbeitet, sagt: "Wir wollen die Leute erreichen, die Spiegel Online nicht lesen."

Darum soll Bento anders sein als SPON, kein Ressort des Mutterschiffs werden, sondern ein ganz eigenes Angebot. "Das ist kein Subventionsprojekt", sagt SPON-Geschäftsführerin Katharina Borchert. Bento soll sich schnell alleine finanzieren. Auch mithilfe umstrittener Werbeformen.

Andere Medienhäuser sind in den vergangenen Wochen ähnliche Wege gegangen. Zeit Online lancierte im Juli ze.tt, "für Leserinnen und Leser zwischen Schulabschluss und erstem Jobwechsel", die Bild nur ein paar Tage später BYou für die "Millenials", also die Teenies der 2000er Jahre.

Auch Burda will mit Bnow bald einen jüngeren Ableger seines People-Magazins Bunte lancieren. Die Süddeutsche Zeitung richtet sich mit jetzt.de seit Langem an eine ähnliche Zielgruppe.

Mut machen über Verlagsgrenzen hinweg

Auf einmal buhlen alle um die jungen Leser. Aber statt die Konkurrenz zu beharken, senden Medienmenschen Mut machende Botschaften über Verlagsgrenzen hinweg und twittern Glückwünsche zum Start. Kollektives Hoffen macht sich breit: Einem muss es doch mal gelingen, diese so schwer greifbare Zielgruppe zu erreichen, oder besser noch: zu begeistern.

Allen diesen neuen Angeboten gemein ist, dass sie ihre Vorbilder im Ausland suchen, vor allem in den USA, wo Angebote wie Buzzfeed, Vox Media oder Vice mit einigem Erfolg junge Leser auf ihre Seiten locken. Ze.tt etwa, das bislang in einer Testversion verfügbar ist, bearbeitet Zeit-kompatible Themen in Buzzfeed-Manier, etwa mit kurzen Texten, die Youtube-Videos einleiten: "Wie ein junger Flüchtling seinen Welpen nach Europa trug", oder als Liste: "So überstehst du deine erste Woche als Vegetarier".

Auch Reißmann und seine Mit-Redaktionsleiterin Frauke Lüpke-Narberhaus waren auf Lernreise in den USA, haben Buzzfeed, Vice und auch Facebook besucht. Die wichtigste Erkenntnis: "Diese Medienunternehmen probieren Dinge einfach mal aus. Und dort ist es auch okay, mit einer Idee zu scheitern", sagt Lüpke-Narberhaus.

Hashtag "Haha" für lustige Themen

Scheitern ist in den hiesigen Verlagen natürlich nicht so gern gesehen. Aber damit, dass es knirscht, rechnet man. Katharina Borchert sagt: "Ich gehe fest davon aus, dass die Kollegen auch mal daneben hauen. Wenn das nicht passiert, dann sind sie nicht mutig genug."

In den vergangenen Wochen haben die Redakteure im Alter von 22 bis 34 Jahren die verschiedenen Plattformen - eine Webseite, aber auch Facebook, Twitter und andere - im Testbetrieb bespielt. Statt herkömmlicher Ressorts sind die Inhalte mit sogenannten Hashtags verschlagwortet, "Gerechtigkeit" heißen die, "Fühlen", "Food" oder "Trip", für Reisegeschichten: "13 Dinge, die man auf einer Iran-Reise erlebt" zum Beispiel.

In der Morgenkonferenz - klischeegerecht auf alten Sofas, ein paar Meter weiter steht auch eine Tischtennisplatte - bespricht die Redaktion, welche SPON-Beiträge sich Bento-typisch aufbereiten lassen, und welche Themen sonst noch umherschwirren, im Netz oder vor der Haustür.

Der Ton ist freundschaftlich, bisweilen albern, aber ohne vollkommen abzudrehen. Wenn ein Thema den gewünschten Ton noch nicht trifft, sagt Reißmann: "Das killt mich jetzt nicht vor Freude." Bento berichtet zwar auch über ernste Themen, dreht aber nicht mit jedem Beitrag am großen Weltrad, will manchmal auch einfach unterhalten. Lustigen Themen ist mit "Haha" ein eigener Hashtag gewidmet.

In Sachen Werbung schlägt Bento einen umstrittenen Weg ein: Anzeigen, die aussehen wie redaktionelle Beiträge. "Native Advertising" nennt man solche Werbung. Sie steht in der Kritik, auch im Rest des Hauses, weil darin gekaufte und journalistisch-unabhängige Inhalte zu verschwimmen drohen. Bento erlaubt solche Werbung, unterstützt sie sogar, indem sich spezielle Mitarbeiter im selben Raum wie die Redaktion darum kümmern sollen, dass sich die Werbeartikel einfügen in das Gesamtpaket.

Für das ganze Haus wichtig

Optisch sollen sich gekaufte Beiträge aber deutlich abheben: Mit einem quietschgrünen Rahmen und einer deutlichen Markierung als "Sponsored Post", gesponserter Beitrag, in derselben Farbe. Solche Werbung sei jungen Lesern auch von anderen Plattformen vertraut, sagt Reißmann, von Instagram oder Facebook zum Beispiel. "Junge Nutzer verstehen durchaus den Unterschied zwischen etwas, das ein Freund gepostet hat, und einem Post, der von Coca-Cola stammt", sagt er.

Bei ze.tt sieht man das offenbar ähnlich. Wenn die Testphase für die Seite vorüber ist, wird es auch dort solche Werbeformen geben, sagt Redaktionsleiter Sebastian Horn.

Bento ist für das ganze Haus ein wichtiges Projekt. SPON sei mit seinen Lesern gealtert, der typische Nutzer derzeit 38 Jahre alt, sagt Borchert: "Wenn wir die junge Zielgruppe nicht mehr erreichen, erreichen wir auch bestimmte Werbekunden nicht." Die Debatte um Native Advertising sei aber wichtig und legitim, sagt sie. Und zur Not gibt es ja noch die Feuerschutztür.

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