Oliver Bierhoff:"So darf sich eine Führungskraft nicht verhalten"

Führungskräfte-Coach Gerda Bornschier erklärt, was Oliver Bierhoff im Umgang mit Mesut Özil und dem WM-Aus hätte anders machen müssen.

Interview von Matthias Kohlmaier

Man habe Spieler bei der deutschen Nationalmannschaft bislang noch nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen, erklärt Teammanager Oliver Bierhoff nach dem Aussscheiden bei der WM im Welt-Interview. Er spricht aber nicht vom Fußball, sondern vom Foto mit dem türkischen Präsidenten, das Mesut Özil und İlkay Gündoğan vor dem Turnier hatten aufnehmen lassen. Weil es dafür keine Entschuldigung gegeben hatte, findet Bierhoff: "Das ist uns bei Mesut nicht gelungen. Und insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet."

Aber darf Bierhoff einen einzelnen Spieler derart für ein Scheitern verantwortlich machen? Gerda Bornschier, Karriere-Coach und Persönlichkeitsentwicklerin, hat da eine klare Meinung.

SZ: Frau Bornschier, wie beurteilen Sie die Aussagen von Oliver Bierhoff, Manager der deutschen Nationalmannschaft und damit eine der höchstrangigen Führungskräfte beim DFB, über Mesut Özil?

Gerda Bornschier: Ich finde nicht, dass eine Führungskraft öffentlich so über einen Mitarbeiter urteilen sollte. Es mag ja sein, dass Özil und İlkay Gündoğan mit dem Foto mit dem türkischen Präsidenten einen Fehler gemacht haben. Aber der DFB, im übertragenen Sinne ihr Arbeitgeber, hat sich ja vor der WM trotzdem zu beiden bekannt und sie für den Kader nominiert.

Wie hätte sich Bierhoff stattdessen äußern sollen?

Er sollte Selbstverantwortung für diese Entscheidung übernehmen, die er sicherlich maßgeblich mit getroffen hat. Er darf nun, nachdem das Projekt nicht so erfolgreich verlaufen ist wie erhofft, nicht sagen: Hätten wir das nur anders gemacht, dann wäre vielleicht alles besser gelaufen! So darf sich eine Führungskraft nicht verhalten. Sie darf ein Scheitern nicht auf die Mitarbeiter abwälzen.

Sondern muss sich grundsätzlich schützend vor sie stellen?

In der öffentlichen Kommunikation auf jeden Fall. Aber auch intern fände ich es sehr bedenklich, wenn Bierhoff sich vor die Mannschaft hinstellen und die Schuld für das Ausscheiden bei der WM an einem oder zwei Spielern festmachen würde. So behandelt man kein Team, das in weiten Teilen auch weiterhin vertrauensvoll zusammenarbeiten soll.

Was hätten Sie den DFB-Verantwortlichen nach dieser WM geraten?

Natürlich sollte nach einem gescheiterten Projekt eine Fehleranalyse auf Ebene der Führungsriege erfolgen. Ich finde es aber sehr wichtig, dass die Ergebnisse den Mitarbeitern beziehungsweise den Spielern in einer wertschätzenden Atmosphäre mitgeteilt werden und dass auch eine Diskussion darüber möglich ist. Das ist ja nun beides nicht der Fall, wenn eine Führungskraft sehr einseitig über ein Zeitungsinterview kommuniziert. Ich habe den Eindruck, dass Herr Bierhoff hier die Verantwortung auf Mesut Özil abschieben will.

Was bedeutet es für den einzelnen Mitarbeiter, wenn er von einer Führungskraft derart an den Pranger gestellt wird?

Es besteht zumindest die Gefahr, dass er sich zurückzieht, weil er keine Wertschätzung spürt. Konsequenz könnte sein, sich einen anderen Arbeitgeber zu suchen. Das würde im Falle von Mesut Özil natürlich bedeuten, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten. Als Vorgesetzter muss ich mir bewusst sein, was ich damit anrichte, wenn ich die Fehler eines einzelnen Teammitglieds so in den Mittelpunkt stelle. Denn eines muss auch klar sein: Fehler machen wir alle und es gehört zur Aufgabe eines Chefs, Angestellte auch nach Verfehlungen durch konstruktive Kritik wieder aufzubauen.

Ist Bierhoff als Führungskraft ungeeignet?

Soweit würde ich nicht gehen, auch Führungskräfte müssen schließlich Fehler machen dürfen. Mir ist bewusst, dass Herr Bierhoff mit großem öffentlichen Druck umgehen muss und keinen einfachen Job hat. Ich würde ihm wohl empfehlen: Man darf als Chef nicht im Nachhinein einzelne Mitarbeiter oder die äußeren Umstände für ein Scheitern verantwortlich machen. Man muss zu seiner Entscheidung stehen und kann eingestehen, dass sie vielleicht nicht die richtige war - dass man aber natürlich auch nicht weiß, wie es anders gelaufen wäre.

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